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System die einzelnen Institute und Rechtssätze zu einem in sich geschlossenen,
verständlichen Ganzen erheben und erkannt wissen will. In der That bieten
die von HEILRORN gegebenen „Grundlagen des Systems“ eine, den ganzen
noch leistungsfähigen Litteraturbestand aufrollende, Revision der Grund-
begriffe, nach der in unserer Materie längt das Bedürfniss feststand. Neidlos
erkennen auch wir Mitarbeiter am jüngsten grossen Handbuch des Völker-
rechts die Nothwendigkeit des ewigen Kreislaufs der wissenschaft-
lichen Gedankenarbeit an, der von der Feststellung und übersichtlichen
Sammlung des Stofflichen zur schärferen systematischen Verbindung und all-
mählich nach Sprengung des Rahmens des Systems wieder zur Feststellung
des Gegenständlichen führt. Dazu gehört Einsicht und Opferwilligkeit so-
wohl bei den Exproprirten, wie bei den Expropriateurs, um in der Sphäre
des Internationalen die Formel der „rothen Internationale* zu gebrauchen.
HEILBORN geht nicht schüchtern vor bei dem Revisionsverfahren und man
muss ihm dafür nur Dank wissen; er schneidet in der Lehre z., B. vom
Landgebiet so manches todte Glied ab, das nur noch der gute Glaube an
Ueberkommenes für funktionsfähig hält. Dabei ist er nicht einmal immer
radikal genug, denn die Ausführungen über die Staatsservituten nehmen sich
inmitten der dem wirklichen, praktischen Alltagsleben gewidmeten Unter-
suchungen, wie Erkerthürmchen mit Butzenscheiben in der Architektur mo-
derner Bahnhofshallen aus. Dahin möchte ich auch die um den alten „terro-
ristischen“ Satz von der armorum vis (als Begrenzung der Küstengewässer)
gruppirten Ausführungen HEILBORN’s über das Wassergebiet zum Theil rechnen.
Es ist bei der rein sachlichen Natur seiner Auseinandersetzungen am wenigsten
einzusehen, warum er die Staatsbethätigung im Küstengürtel des Meeres nur
innerhalb der von Kanonen „bestrichenen“ Distanz anerkennen will, da doch
offensichtlich die Verwaltungsfunktion des Uferstaates keineswegs gehindert
ist, die Bethätigung der Gewalt, wenn schon durchaus auf dieses sekundäre
Moment so viel Gewicht gelegt werden sollte, — durch schwimmende Or-
gane zu bewerkstelligen, durch Boote, Schiffe, Stationen, Feuerschiffe etc.
Lehnt HEILBoRN selbst die Nothwendigkeit ab, die Meeresküste mit Kanonen
zu „bespicken“, um dort in Krieg und Frieden dem fremden Herrschafts-
willen ein: „Bis hierher und nicht weiter“ zuzurufen, und diese Hemmung
mit derjenigen Kraft zu realisiren, welche von einem sorgsamen Staat er-
wartet werden darf, — so ist nicht klar, auch nicht aus den von HEILBoRN-
mit grossem Geschick und umfassender Quellenkunde beigebrachten geschicht-
lichen Beispielen, warum unsere Auffassung vom staatlichen Imperium in den
Küstengewässern Recht und Pflicht des Staates in jenen Bezirken anders
gestalten oder auch nur erklären würde als die vom Verf. wieder heran-
gezogene These vom staatlichen Dominium über das angrenzende Küstenmeer.
Trotz des anregenden Charakters, richtiger vielleicht gerade dess-
halb wäre ich auch geneigt, der zweiten grossen Hauptgruppe der Aus-
führungen, die HEımsorn um den Begriff „Menschen“ aufschichtet, so