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Theorien sich herum zu streiten; das Richtige wird sich halten durch eigene
Kraft.
Worauf wir aber besonders gespannt wären, das ist diejenige Art von
Widerlegung, auf die doch schliesslich alles ankommt: der Nachweis von
verwaltungsrechtlichem Gewohnbeitsrecht ausserhalb des Verbandsrechts.
Je nachdem wird selbstverständlich auch die Theorie sich fügen müssen.
Was erhalten wir da? Die Beispiele aus dem Verfassungsrechte lassen
wir bei Seite. Erwähnt sei nur die eigenthümliche Aufstellung (S. 33), dass
die absolute Gewalt des Kaisers von Oesterreich bis zur Verfassung vom
4. März 1849 auf Gewohnheitsrecht berubte, nach Beseitigung dieser Ver-
fassung durch Patent vom 31. Dez. 1857 auf „gesetztem Reeht“. Aber für
das Verfassungsrecht gelten eigene Regeln, die nach dem besonderen Wesen
dieser Rechtsart zu erkennen sind; die Sache ist wohl nicht so einfach, als
der Verf. meint. Doch handelt es sich hier nur um das Verwaltungsrecht.
In dieser Beziehung finden wir in der vorliegenden Schrift folgende
Belege für Gewohnheitsrecht ausser Verbandsrecht aufgeführt. Die Grund-
sätze des Verfahrens der Verwaltungsbehörden sind in Oesterreich nicht ge-
setzlich geregelt. Daher „die Fruchtbarkeit der Gewohnheit auf diesem
Rechtsgebiete“ (8.40). Ganz sicher ist die Sache nicht; das Gewohnheits-
recht ist noch „in der Entwicklung“, nur gewisse wichtige Grundsätze haben
jetzt schon „die Kraft des Gewohnheitsrechts erlangt“ (S. 88). Der Verf.
beruft sich dafür auf Tezxner, Administrativverfahren S. 12ff. Leider aber
müssen wir sagen, dass Tezuer’s Ausführung ihn dazu keineswegs ermächtigt.
Dieser stellt ganz richtig fest, dass die Regeln des „administrativen Pro-
zesses“, wie er es nennt, auf „Rechtssätzen des Juristenrechts* beruhen,
d. h. auf Regeln, welche das Verwaltungsgericht aus dem Wesen dieses Ver-
fahrens folgert (a. a. O. S. 15, 16). Wenn der Verf. das als Gewohnheits-
recht nimmt, so ist das ein Beweis, wie genügsam er mit seinen Belegen
ist. Mit derselben Genügsamkeit hat er auch (S. 13 Note 2) SEYDEL unter
denjenigen angeführt, welche das Gewohnheitsrecht anerkennen (man muss
nur nachlesen!), und beruft er sich am Schluss (S. 44) auf RümELm a. u. 0.
S. 229: der soll darthun, dass die besondere Stellung der Verwaltungs-
behörden das Gewohnheitsrecht durchaus nicht ausschliesst, weil er die
Wichtigkeit der Uebung für sie hervorhebt; RümELIN meiut diese aber ge-
rade im Gegensatz zum (Gewohnheitsrecht. Das ist also alles nichts,
Weiter! Als weiteren Beleg erhalten wir den Fall der österreichischen
Gemeindeordnungen: „indem wohl eine Bestimmung über die Zulässigkeit
der Sistirung von Dezernaten der (temeindeausschüsse, nicht auch der Ge-
meindevorsteher seitens der Aufsichtsbehörden getroffen ist“ (8.41). Da
sollte also ein Gewohnheitsrecht sich bilden können, wonach auch die
letzteren sistirt werden dürften. Wir hielten das für überflüssig, da men
diese Beschlüsse ja einfach aufheben kann (ULprica, Oesterr. St.-R. 8. 286).
Jedenfalle behauptet Verf. selbst nicht, dass hier ein Gewohnheitsrecht