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Der Verf. schreitet uns doch zu gewaltig aus, als dass wir ihm so ohne
Weiteres folgen könnten. Wo ist die evangelische Kirche eigentlich? möchten
wir fragen. Wenn der so vielfach angerufene Geist des evangelischen Bekennt-
nisses massgebend sein soll, so hat der sich, dünkt uns, im Laufe der Ge-
schichte unserer Kirche lebendiger erwiesen an den Universitäten als in den
Konsistorien, und in das Gewissen eines Theologieprofessors kann man am
Ende eine Entscheidung ebenso wohl stellen, wie in das eines Konsistorial-
rathes. Otto Mayer.
Leske und Loewenfeld, Die Rechtsverfolgung im internationalen
Verkehr. II. Bd. Berlin, Heymann’s Verlag, 1897. XXII u. 1124 S.
gr. 8.
Man wird dem Kritiker keinen Vorwurf daraus machen können, dass
er eine geraume Zeit hat verstreichen lassen, bevor er sich ein endgültiges
Urtheil über ein Werk der hier fraglichen Art bildete. Ein Werk, welches
in erster Linie der Praxis dienen soll, muss eine längere Zeit benutzt worden
sein, um beurtheilt werden zu können. Man wird nunmehr etwaige Zweifel,
welche in der ersten Zeit auftauchten, bei Seite legen dürfen und versichern
können, dass auch der zweite Band seinen Zweck erreicht hat. Die inter-
nationale Praxis im Verkehr mit den behandelten Staaten ist ohne Zweifel
bedeutend erleichtert worden. Der Verf. dieser Zeilen hat insbesondere die
Aufsätze über die Türkei, Russland und Dänemark praktisch brauchbar und
zuverlässig befunden. Es ist gewiss richtig, dass der zweite Band auch eine
Reihe von Staaten behandelt, mit welchen nur sehr wenige Auserwählte in
Berührung kommen werden, und man könnte die Frage aufwerfen, ob die
Herren Herausgeber diesen letzteren Staaten nicht eine zu grosse Bedeutung
beigemessen haben. Andererseits ist allerdings nicht zu verkennen, dass ein
Werk, welches zunächst die Bedürfnisse der Praktiker eines Staates im Auge
hat, dessen Handel keine Grenzen mehr kennt und überall eindringt, keinen
Staat unberücksichtigt lassen darf. Dass ein Werk, wie das vorliegende, im
Deutschen Reiche mit Aussicht auf Erfolg und Beifall herausgegeben werden
konnte, hat ohne Zweifel seinen Grund darin, dass der deutsche Handel das
Bedürfniss für ein derartiges Werk geschaffen hat. Im Gegensatz zu der
Rechtswissenschaft, welche auf selbst gewähltem Felde arbeitet, hat sich die
Praxis mit dem zu beschäftigen, was ihr von der Klientel gebracht wird.
Im modernen Deutschen Reiche, dessen kommerzielle Entwickelung viele
fremde Staaten beunruhigt, nimmt die Ziffer der internationalen Rechts-
sachen beständig zu; dies nöthigt den deutschen Praktiker, dem Handel zu
folgen und sich um ausländische Rechtsverhältnisse zu kümmern, welche er
früher getrost der Wissenschaft überlassen konnte.
Zweifelhaft erscheint es, ob der Abschnitt „Vollmachtsformulare“ wirk-
lich den praktischen Werth hat, den die Herren Herausgeber erwartet haben.