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Bestimmung, die lediglich durch einen Zufall, etwa durch die
Unaufmerksamkeit eines Setzers, die Form eines Gesetzes erhalten
hat, bloss dieser Form wegen gesetzliche Geltung zubilligt. Giebt
man aber die Nichtverbindlichkeit des publizirten Gesetzestextes
im Falle eines Druckfehlers zu, so wird man sich der gleichen
Folgerung für den Fall eines Redaktionsversehens nicht entziehen
können, denn auch in letzterem Falle ist es lediglich ein Zufall,
der einer Bestimmung, die niemals als (xesetz gewollt ist, die
Form eines Gesetzes verleiht. Durchaus verfehlt ist es, wenn
man sich behufs Begründung der angeblichen Verpflichtung zur
unbedingten Anwendung des publizirten Gresetzestextes auf Ver-
fassungsbestimmungen beruft, durch welche das Recht zur Prüfung
der Rechtsgültigkeit gehörig publizirter Gesetze eingeschränkt
wird, z. B. auf Art. 106 der preussischen Verfassung:
„Gesetze und Verordnungen sind verbindlich, wenn sie
in der vom Gesetze vorgeschriebenen Form bekannt gemacht
worden sind.
Die Prüfung der Rechtsgültigkeit gehörig verkündeter
Königlicher Verordnungen steht nicht den Behörden, sondern
nur den Kammern zu“ !”,
Durch derartige Verfassungsbestimmungen soll lediglich die
Prüfung der Frage, ob ein Gesetz auf verfassungsmässigem Wege
zu Stande gekommen ist, ob insbesondere die verfassungsmässige
1! So HEFFTER a. a. 0. S. 32: „In dem Wenn des Art. 106 liegt zu-
gleich das Wie mitenthalten“; ferner v. ScHULZE a. a. O. S. 444ff.: „Die
Prüfung, zu welcher die Richter, sowie alle übrigen Personen hinsichtlich
der Existenz der Reichsgesetze verpflichtet sind, ist auf die äussere Form
des Gesetzes zu richten, sodass man nur festzustellen hat, ob ein Reichsgesetz
in dem Reichs-Gesetzblatte in der dem Art. 17 der Reichsverfassung ent-
sprechenden Art und Weise abgedruckt und mit der Gegenzeichnung des
Reichskanzlers versehen ist. Ebensowenig wie in Preussen die Richter und
sämmtliche Staatsbürger die Richtigkeit des Inhalts eines Gesetzes nach-
zuprüfen haben (Art. 106 Abs. 2 der Preuss. Verfassungsurkunde) steht es
den Genannten zu, Beichsgesetze, welche von dem Kaiser vor der Aus-
fertigung zu prüfen sind, einer Nachprüfung zu unterziehen.“