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der Erwerbsfähigkeit die Berufsgenossenschaft von Amtswegen
eine anderweitige Feststellung bewirken kann. Dabei kommt es
weder auf etwaige günstigere Arbeitsgelegenheit im Allgemeinen*
noch anf die besonderen Umstände an, welche vielleicht gerade
dem Verletzten eine vortheilhaftere Ausnutzung seiner Kräfte
und Fähigkeiten ermöglichen (Wohlwollen eines Arbeitgebers,
Steigen der Löhne, starke Nachfrage nach Arbeitskräften u. s. w.).
Ausschliesslich maassgebend bleibt die objektive, von ärztlicher
Seite nöthigen Falls auf's Neue zu begutachtende Möglichkeit, wie
viel der Verletzte bei dem körperlichen und geistigen Zustande,
in welchem er sich zur Zeit befindet, voraussichtlich noch durch
angemessene Liohnarbeit verdienen kann, und wieviel er ohne
die Folgen des Unfalls würde verdienen können. Das Reichs-
versicherungsamt hat wiederholt dringend davor gewarnt, von der
wichtigen Befugniss, welche durch $ 65 den Genossenschaftsvor-
ständen gegeben ist, einen übertriebenen Gebrauch zu machen;
insbesondere wird empfohlen, nicht allzuoft an den getroffenen
Feststellungen zu rütteln, derart, dass schon bei jeder geringen
Besserung sofort ein paar Prozent der Entschädigung gekürzt
würden®. Es steht zu hoffen, dass diese Mahnungen im Interesse
aller Theile immer mehr Beherzigung finden.
Bei der Invaliditäts- und Altersversicherung hat der
Rentenempfänger in geringerem Umfange die nachträgliche Be-
einflussung seiner Bezüge durch Besserung in seinem Befinden
zu erwarten.
Betrefis der Altersrente liegt es, da sie von dem Nach-
weis der Erwerbsunfähigkeit unabhängig ist ($ 9 Abs. 4 I.- u.
A.-V.-G.), in der Natur der Sache, dass sie durch Schwankungen
in dem Zustande des Berechtigten nicht berührt wird.
* Amtl. Nachr. des R.-V.-A. 1888 S. 290 No. 568.
5 Ebenda 1888 S. 298 No. 581; Rundschreiben vom 20. Juni 1891
S. 221 No. 1; als wesentliche Veränderung ist eine Steigerung um 5 v. H.
nicht aufzufassen — 1897 8. 267 No. 1582b.