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Die Ansicht, dass das Wort „Bundesstaaten“ strenge zu
interpretiren, dass es also erforderlich sei, dass der Natur des
Rechtsstreites nach verschiedene Bundesstaaten sich im Streite
befinden, damit der Bundesrath gemäss Art. 76 Abs. 1 zuständig
sei, ist zur Zeit in der Wissenschaft die herrschende.
SEYDEL und ARNDT heben bestimmt hervor, dass es sich
nicht um einen Streit zwischen der Person eines Bundesfürsten
und einem Bundesstaate handeln dürfe.
Immerhin wird die Frage in Erwägung zu ziehen sein, ob es
nöthig ist, dass die Parteien rechtlich sämmtlich in ihrer Eigen-
schaft als Bundesstaaten an dem Streite betheiligt sind, oder ob
es genügt, dass der betreffende Bundesfürst seine dynastische
Sache thatsächlich zur Sache des von ihm regierten Bundes-
staates gemacht hat.
Zu dieser Frage habe ich inzwischen in einem Artikel „Zur
Lippeschen Thronfolgefrage“ in No. 261 der „Hamburger Nach-
richten“ Stellung genommen, sodass ich hierauf verweisen kann.
Dagegen bleibt doch die Frage offen, ob das Wort „Bundes-
staaten“ in Art. 76 Abs. 1 nicht gleichbedeutend ist mit: „Bundes-
glieder“ oder „Mitglieder des Bundes“,
Es verlohnt sich, um über diese Frage Klarheit zu gewinnen,
die Terminologie der Reichsverfassung hinsichtlich dieser Ausdrücke
genauer zu prüfen.
Der Ausdruck „Bundesstaat“ findet sich in den Artt. 3, 7,8, 18,
21, 38, 33, 35, 36, 39, 52, 54, 56, 58, 59, 60, 70, 74, 75, 76,
77 und. 78; der Ausdruck „Mitglied des Bundes“ findet sich in
Art. 6; der Ausdruck „Bundesglied“ in Art. 7, 19, 41.
Es wird sich also fragen, ob die Reichsverfassung zwischen
den Ausdrücken „Bundesglied“ und „Mitglied des Bundes“,
10 TyunıcHum, Verfassungsrecht des Norddeutschen Bundes, Tübingen
1870, S. 109 Anm. 1; Srvper, Kommentar, S. 404f.; ARNDT, Verfassung des
Deutschen Reiches, Berlin 1895, Anm. 2 zu Art. 76; Häneı, S. 573; Zorn,
Bd. IS, 171 Anm. 61.