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durchgegriffen und speziell auf dem Gebiete des österreichischen
Staatsrechtes® nur vereinzelt praktische Anwendung gefunden
hat, so schmälert das nicht sein Verdienst.
Der von STOERK in seiner oft genannten trefflichen Schrift
„Zur Methodik des öffentlichen Rechtes“ nachdrücklich erhobene
Hinweis, dass die öffentlich-rechtlichen Verhältnisse im Gegen-
satz zu den privatrechtlichen individuell gestaltet sind’, und die
sich hieraus ergebende Forderung, dass das Staatsrecht jedes
Staates nach dessen besonderen Verhältnissen individualisirend
beurtheilt werden müsse, wurde — von den Einen mit Lob,
von den Anderen mit Tadel — als eine neuerliche Reaktion
gegen die dogmatische Behandlung der juristischen Methode
betrachtet.
An sich wäre eine solche Reaktion weder auffällig, noch
eine Minderung des Werthes dessen, was LABAND für die Wissen-
schaft geleistet. Jede Wissenschaft hat ihre Strömungen?, von
denen keine die letzte ist. Wenn eine neue Richtung eingeschlagen
wird, muss sie, um sich zur Geltung zu bringen, mit einer ge-
wissen Kraft betont werden. Durch die kräftige Hervorhebung
des neuen Ergebnisses wird das Endglied der ursprünglichen
Vorstellungsreihe zum Ausgangspunkt aller späteren Vorstellungs-
reihen. Wird aber bei diesem angeknüpft, so wird — nach dem
8 So ist z.B. ULprıcH’sOesterreichisches Staatsrecht, von dessen „trockener
Reproduzirung des Gesetzesstofles“ STOERK (in Grünhuts Zeitschrift Bd. XIE
S. 160) urtheilt, dass „man nicht zweifelhaft sein kann, dass in dieser referi-
renden Richtung die Zukunft unserer Lehre nicht liegen kann“, ein Typus
jenes von Lauann bekämpften „Dilettantismus, der mit einer gedankenlosen
Zusammenstellung von Gesetzen und Gesetzgebungsmaterialien sich begnügt“.
” „Hier (bei den Staatsrechtserscheinungen) tritt das Typische in den
Hintergrund, und das Individuelle des nationalen, historischen, wirthschaft-
lichen Thatbestandes verlangt aus der Masse herausgegriffen, auf seine spe-
zifische Substanz geprüft und im logischen Zusammenhang untersucht zu
werden“ (Grünhuts Zeitschrift Bd. XII S. 153).
® Vgl. Livea, Wesen und Aufgaben der Rechtsphilosophie (in Grünhuts
Zeitschrift Bd. XVII S. 42).