Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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dem einen Staate von blos papierener Bedeutung ist, ist in dem 
anderen Staate ein Machtfaktor. Nachdem aber die Wissen- 
schaft zum Bewusstsein bringen soll, was ist, kann eine nicht 
blos an den Formen klebende, nicht blos Paragraphen hinter- 
einander aufkleisternde Wissenschaft bei ihrer Analyse an diesen 
thatsächlich vorhandenen öffentlich-rechtlichen Verhältnissen nicht 
vorübergehen. Sie muss daher bei ihrer Analyse individualisiren, 
wie STOERK fordert, und an den Thatsachen ihre Theorien 
verifiziren, wie LABAnD als nothwendig erkennt. 
Der formale Unterschied beider Betrachtungsarten ist nun 
freilich der, dass LABAnD beim positiven Rechtsstoffe einsetzt 
und dessen Konstruktion an den Thatsachen verifiziren will, 
STOERK dagegen von der (sesammtheit des nationalen, histori- 
schen und wirthschaftlichen Thatbestandes ausgegangen wissen 
will. Aber auch dieser Gegensatz reduzirt sich auf die Frage, 
was man unter positivem Rechtsstoff versteht, und sobald der 
Staatsrechtsforscher!? in concreto daran geht, die Vollständigkeit 
Reichshälften tritt alljährlich auch äusserlich in die Erscheinung, indem bei 
den Sitzungen der Delegationen, welche „das den Vertretungskörpern beider 
Reichshälften (dem Reichsrath und dem ungarischen Reichstag) zustehende 
Gesetzgebungsrecht, in so weit es sich um die gemeinsamen Angelegenheiten 
handelt, auszuüben“ haben, auf der Regierungsbank der ungarischen Dele- 
gation neben den gemeinsamen Ministern der ungarischen Ministerpräsident 
erscheint und die Politik des gemeinsamen Ministeriums als seine Politik 
mitvertheidigt und deckt, während auf der Regierungsbank der öster- 
reichischen Delegationen stets nur die gemeinsamen Minister erscheinen und 
die Regierungshandlungen der gemeinsamen Regierung als ihre Handlungen 
und ihre Politik vertreten. 
12 Wenn STOERK von LABAND sagt, dass ihn die „List der Idee“ zur 
publizistischen Methode gezwungen hat, so kann man auch umgekehrt sagen, 
dass auch STOERK trotz seiner historisirenden Velleitäten durch die List seiner 
eigenen Argumente von der historisch-politischen Methode ab- und der juri- 
stischen Methode, wenn auch unter verändertem Namen, zugeführt worden ist. 
Denn auch sein Dogma, dass jeder Staat ein Wesen sui generis ist, könnte ihn 
von der juristischen Methode erst in einer nebelfernen Zukunft trennen. — 
Einstweilen hält ja auch die juristische Methode erst bei der Erforschung der 
Staatsrechte der einzelnen Staaten, —
	        
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