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weichen, nach Massgabe dieses Rechtes durch einen ordent-
lichen Staatengerichtshof, in bewusstem Gegensatze zum Schieds-
gerichte, ist nicht im Entferntesten die Rede; dafür werden dann
aber wieder um so nachdrücklicher Forderungen erhoben, welche
auf nichts Anderes als die Konstituirung einer Weltexekutive
hinzielen, indem man nach einer Instanz verlangt, welche den
einzelnen Staat im F'alle seiner Renitenz gegen die Entscheidungen
des „Schiedsgerichtes“ zwangsweise zur Befolgung derselben an-
zuhalten habe... Alle diese Bestrebungen, die sich freilich
theilweise über ihre eigene Tragweite nicht vollkommen klar sind,
bezwecken im Grunde nichts Anderes, als die Kriterien des
bürgerlichen Rechtes auf das internationale Recht zu übertragen,
und fassen sich daher, an sich durchaus zutreffend, unter dem
Stichworte des „ewigen Friedens“ zusammen, weil eben, wie ge-
sagt, alles bürgerliche Recht, wenigstens grundsätzlich, auf die
Ewigkeit berechnet ist, und weil darum auch die Diplomatie, die
zeitweilig, sei es aus Beschränktheit, sei es aus bewusster
Täuschungsabsicht, die Welt glauben machen wollte, dass ein
nach unbedingter Analogie des staatlichen Rechtes konstruirtes
„Völkerrecht“ in Geltung sei — jeden Krieg durch Abschluss
eines auf „ewige Zeit“ berechneten Friedens beendete, so dass
nun die vernunftrechtliche Schule, gleichsam aus unlauterem Wett-
bewerb, wie es bei B. O. T. SCHAFTER heisst, den Frieden, den
sie womöglich zwischen allen Staaten der Erde etabliren wollte,
als den „ewigen allgemeinen Völkerfrieden“ bezeichnete.
Die Irrthümer dieser vernunftrechtlichen Theorien liegen auf
der Hand: es handelt sich dabei um den grundsätzlichen Kos-
mopolitismus, um die Schaffung eines „Weltstaates“, der sich be-
grifflich schlechterdings nicht von dem historischen Individual-
staate unterscheiden würde und innerhalb dessen die jetzt
bestehenden Staatengebilde sich besten Falles zu blossen, in
ihrem Bestande von dem Belieben der Weltregierung abhängigen
Selbstverwaltungsbezirken mit einer wenn auch noch so umfang-