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streitigkeiten® so gut wie garnicht mehr aufgeworfen werden
würden, weil sie nämlich in den allerseltensten Fällen darin ihren
Grund haben, dass man sich wirklich von Seiten der Interessenten
über das bestehende Recht nicht klar ist, sondern meistens bloss
einen faulen Vorwand bilden, um daraufhin hochpolitische Aktionen
vom Zaune zu brechen.
Bezüglich des dritten Punktes, der Exekutive’, liegt die
Sache nun ganz anders, wie bezüglich der internationalen Legis-
lative und Judikatur, denn der souveräne Staat kann sich un-
möglich irgend einem von dritter Seite herkommenden Zwange
unterwerfen, in einer bestimmten Weise zu handeln, wenn ihm
dies nicht aus freien Stücken beliebt; und, obwohl oder gerade
weil ein internationales Recht auf einer freien Vereinbarung der
Mächte beruhen müsste, ihre auswärtige Politik auf eine gewisse
Zeit festzulegen, könnte der Sinn dieser Vereinbarung nicht
dahingehen, dass die Kontrahenten grundsätzlich eine von aussen
her auf sie auszuübende Gewalt als „erlaubt“ oder als „recht-
mässig“ anerkennen, durch welche sie angehalten werden, bei
ihrem Willen zu verharren, falls sie diesen Willen ändern. Die
vielfach aufgestellte Behauptung, dass die intensivste Bethätigung
der Freiheit darin besteht, sich der Freiheit zu begeben, ist ein
Sophismus, mit dem man schliesslich den grössten Unsinn dedu-
ziren könnte; aber ebenso falsch ist die andere Behauptung,
dass, weil auf diese Weise nur eine internationale Prozessordnung
ohne Exekutivinstanz denkbar wird, es überhaupt überflüssig sei,
ein Staatenprozessrecht zu schaffen. Für das bürgerliche Recht
muss man allerdings eine Exekutive als unabweisbares Requisit
fordern, obgleich auch für dieses, durch die Konstituirung einer
Exekutivinstanz, nicht etwa, wie man wohl glaubt, eine unbedingte
Gewähr für thatsächliche Durchführung der Rechtsordnung ge-
geben ist, da dieselbe auch trotz aller Exekutive einmal von
5 Vgl. hierüber ScuLier, Der Friede in Europa, 8. 321ff.
Archiv für Öffentliches Recht. XIV. 2. 18