— 326 —
ad c. Zum Schlusse noch einige Bemerkungen über die Vor-
bereitung einer ergänzenden Normirung des internationalen Privat-
rechts durch übereinstimmendes Vorgehen der Kulturstaaten.
Auch hierbei zeigt die freie Theorie ganz entschieden ihre
guten Eigenschaften.
Zuerst wirft sie den Gedanken der Gegenseitigkeit über Bord.
Die Pflicht der Staaten, der internationalen Gesellschaft gegen-
über, ist von einer Gegenleistung völlig unabhängig. Damit ist
jedenfalls so viel gewonnen, dass Wissenschaft und Gerichtspraxis
nicht auf Gegenseitigkeitsverträge zu warten brauchen, welche
Verträge überdies die schlechte Folge haben, dass sie einen
Unterschied in’s Leben rufen zwischen Angehörige eines Vertrag-
staates und andere Menschen, und zu zeitraubenden und spitz-
findigen Streitfragen über die Angehörigkeit und ihren Beweis
Veranlassung geben.
Weiter macht die freie Theorie aus Wissenschaft und Ge-
richtspraxis vorwärtsstrebende Kräfte, welche das Privatrecht den
Rechtsansprüchen des allgemein-menschlichen Verkehrs anzupassen
suchen und also fortwährend Baustoffe für die „Uebergesetze der
Zukunft“ schafien.
Auch bei den Arbeiten, welche von der Staatengesammtheit
vorzunehmen sind, ist eine breite Grundlage nöthig, und muss
der Blick über die Zuständigkeitsnormen hinausreichen. Denn
die Staaten, als Gesammtheit betrachtet haben die Macht, jede
Rechtsverschiedenheit aufzuheben, und damit den Zuständigkeits-
normen und Rückverweisungen selbst ihren relativen Zweck zu
nehmen, Dabei gilt es eben, nicht Zuständigkeitsnormen für Ge-
setze, sondern Anwendungsnormen zu schaffen für ein breites
Verkehrsrecht.
Dieses Verkehrsrecht ist heutzutage im Anzug. Ein Hin-
weis auf die in den letzten Jahren im Haag abgehaltenen Kon-
ferenzen wird wohl genügen, um die Annahme zurückzuweisen,
als liesse ich mich von einem rosigen Idealismus leiten. Die hohe