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hierauf geantwortet, dass jedem Staate die Befugniss zustehen
müsse, einen von ihm abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrag
für sein Gebiet mit formeller Gesetzeskraft auszustatten®. Allein
durch diesen zweifellos richtigen Satz werden die Ausführungen
von HÄneEL nicht in allen Punkten widerlegt. Allerdings können
die deutschen Bundesstaaten ihren eigenen Staatsverträgen,
welche sie selbst mit anderen Staaten abgeschlossen haben,
formelle Gesetzeskraft beilegen. Dagegen wäre es ein Unsinn,
wenn ein deutscher Bundesstaat einen zwischen fremden Staaten
abgeschlossenen Vertrag mit der Wirkung eines formellen
Landesgesetzes ausstatten wollte. Kein bayrisches Landesgesetz
kann auf Grund eines französisch-italienischen Staatsvertrages
bestimmen, in welchen Fällen Italien flüchtige Verbrecher an
Frankreich ausliefern soll, zu welchen Zollsätzen italienische
Waaren in Frankreich eingeführt werden dürfen, welches Porto
für Beförderung eines Briefes aus Italien nach Frankreich zu
erheben ist. Die deutsche Reichsverfassung nun enthält eine
grosse Anzahl von Bestimmungen, welche sich nicht auf die
Rechtsverhältnisse aller verbündeten Staaten, sondern nur auf
die Rechtsverhältnisse einzelner Bundesstaaten beziehen und
welche daher unmöglich Landesgesetz der unbetheiligten
Bundesstaaten geworden sein können. Die Artt. 48 bis 51 der
Reichsverfassung, welche subsidiäre Normen über das Post- und
Telegraphenwesen im Deutschen Reiche enthalten, finden nach
ausdrücklicher Vorschrift des Art. 52 Abs. 1 der Verfassung auf
Bayern und Württemberg keine Anwendung. Bayern und Würt-
temberg haben durch diese Vorschriften weder vertragsmässige
Pflichten übernommen noch vertragsmässige Rechte erworben.
Dies ergibt sich aus Art. 50 Abs. 6 der Reichsverfassung, welcher
bestimmt, dass durch besondere Konventionen zwischen den
betheiligten Staaten die Vorschriften des fraglichen Artikels aus-
8 Seyper, Kommentar 8. 21.
Archiv für öffentliches Recht. XIV. 8. 09