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geschlossen werden können, ferner aus Art. 7 Abs. 4 der Reichs-
verfassung, wonach Bayern und Württemberg bei der Beschluss-
fassung über die in Artt. 48 bis 51 geregelten Post- und
Telegraphen- Angelegenheiten überhaupt kein Stimmrecht im
Bundesrathe haben. Wie können diese Artt. 48 bis 51 der
Verfassung, welche in Bayern überhaupt keine Geltung haben,
formelles bayrisches Landesgesetz geworden sein? Welchen ver-
nünftigen Sinn hat es, in einem bayrischen Landesgesetze zuerst
eine Reihe von Rechtsnormen, welche in anderen deutschen
Staaten gelten, aufzuzählen und dann zu erklären: „Diese Be-
stimmungen finden auf Bayern keine Anwendung?“ Welche
formelle Befugniss und welches materielle Interesse hat Bayern,
subsidiäre Rechtsnormen über das Postwesen in anderen deutschen
Ländern als bayrisches Landesgesetz zu verkünden?
Art. 46 Abs. 2 der Reichsverfassung bestimmt, dass die
Artt. 42 bis 45, sowie Art. 46 Abs. 1, welche sich auf das
Eisenbahnwesen beziehen, auf Bayern nicht anwendbar sind;
gleichwohl sollen diese unanwendbaren Vorschriften bayrisches
Landesgesetz geworden sein! Ziff. III 8 5 des Versailler Ver-
trages vom 23. Nov. 1870 schreibt vor: „Die Artt. 61 bis 68
finden auf Bayern keine Anwendung“?. Auch diese, das Militär-
wesen betreffenden Vorschriften der Reichsverfassung sollen trotz
ihrer Unanwendbarkeit als bayrisches Landesgesetz verkündet sein!
Die Parallele, welche SEYDEL zwischen Einführung der kon-
stitutionellen Landesverfassungen und Einführung der Reichs-
verfassung zieht !°, ist zweifellos unrichtig. Durch die Verfassung
vom 26. Mai 1818 ist das Recht des Königs von Bayern, die
Sanktion der Gesetze zu ertheilen, nicht berührt worden; durch
die Reichsverfassung ist das Recht des Königs von Bayern, die
Sanktion der Gesetze zu ertheilen, für das Gebiet der Reichs-
gesetzgebung aufgehoben und dem Bundesrathe übertragen worden.
® Reichsgesetzblatt von 1871, 8. 19.
10 SeypeL, Kommentar $. 19—20; Abhandlungen 8. 100.