Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

— 338 — 
existirten Reichsschulden und Reichsvermögen, welche genau den- 
selben juristischen Charakter hatten wie jetzt. 
Ganz unhaltbar wird die SEYDEL’sche Theorie, wenn man 
dieselbe auf Elsass-Lothringen anwendet. SEYDEL ist der erste 
Schriftsteller gewesen, welcher Elsass-Lothringen für einen Staat 
erklärt hat!’; derselbe hält auch jetzt noch an dieser Ansicht 
fest!. Der Staat Elsass-Lothringen nun hat niemals einen 
Bundesvertrag mit dem Reiche oder mit einzelnen Bundesstaaten 
abgeschlossen; Elsass-Lothringen kann daher weder vertrags- 
mässige Rechte noch vertragsmässige Pflichten gegenüber dem 
Reiche und den einzelnen Bundesstaaten haben. Vielleicht könnte 
behauptet werden, durch die gleichmässige Einführung des Ge- 
setzes vom 9. Juni 1871 im Deutschen Reiche und in Elsass- 
Lothringen sei ein stillschweigender Vertrag über den Eintritt 
von Elsass-Lothringen in das Deutsche Reich zu Stande ge- 
kommen. In diesem Falle aber könnte die deutsche Reichs- 
verfassung nicht die Bedingungen!? des erwähnten still- 
schweigenden Vertrags enthalten, denn die Reichsverfassung ist 
in Elsass-Lothringen erst lange nach dem Gesetz vom 9. Juni 
1871 — am 1. Jan. 1874 — eingeführt worden und manche 
Vorschriften der Reichsverfassung über die Rechte und Pflichten 
der Bundesstaaten finden noch heute nicht auf Elsass-Lothringen 
Anwendung. Zwischen Elsass-Lothringen und dem Deutschen 
Reiche würde also ein stillschweigender Bund ohne Bedingungen, 
ein bedingungsloser Bund bestehen! Auf welche Weise nun ist 
dieser bedingungslose Bund zu Stande gekommen? Welche 
Wirkungen hat derselbe? Welche Rechte und Pflichten be- 
gründet er zwischen den stillschweigend Verbündeten? Wie ist 
es zu erklären, dass Elsass-Lothringen auf dem Gebiet der Ge- 
17 SeypeL, Der Bundesstaatsbegriff in der Tübinger Zeitschrift für die 
gesammte Staatswissenschaft Bd. XX VIII Jahrg. 1872. 
18 SgypeL, Kommentar 8. 39. 2. Aufl. 1897. 
19 SgypeL, Kommentar 8. 27,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.