— 340 —
Elsass-Lothringen ist nicht blos auf dem beschränkten (Gebiete
des Art. 4 der Reichsverfassung, sondern auf fast allen Gebieten
des staatlichen Lebens der gesetzgebenden Gewalt des Reiches
unterworfen. Diese Reichsgewalt ist keine gemeinsame Gewalt,
sondern eine fremde Gewalt, denn Eisass-Lothringen hat an
derselben keinen Antheil; dennoch soll Elsass-Lothringen, welches
Unterthan einer fremden Gewalt ist, souverän sein! Bei aller
Hochachtung, welche dem berühmten Namen SEYpDEL’s gebührt,
wird man doch sagen müssen, dass seine Theorie zu unmöglichen
Konsequenzen führt und an den Vorschriften des positiven
deutschen Staatsrechts Schiffbruch leidet.
II.
HäÄneEL bezeichnet ebenfalls die Souveränetät als dasjenige
Merkmal, durch welches sich der Staat von allen anderen kor-
porativen Verbänden unterscheide und welches die Eigenart des
Staates ausmache®!. Im Gegensatz zu SEYDEL erklärt er jedoch
nicht die deutschen Gliedstaaten, sondern das Reich für souverän:
Nach Art. 78 der Verfassung besitze das Reich eine rechtlich
unbegrenzte Kompetenz-Kompetenz??; dasselbe sei ausschliesslich
Richter über seine Kompetenz??; durch diese unbegrenzte Kom-
petenz-Kompetenz sei die rechtliche Möglichkeit gegeben, die
Einzelstaaten nicht nur zu beschränken, sondern selbst zu ent-
eignen °*; die Einzelstaaten seien nur dem Namen nach Staaten,
der Sache nach Territorien; die deutschen Fürsten seien nur der
Hofetikette nach Souveräne, dem Rechte nach Landesherren ?°.
Die Theorie von HÄNnEL beruht auf einer Auslegung des
Art. 78 der Reichsverfassung, welche weder dem Wortlaut noch
dem Geiste dieser Verfassungsbestimmung entsprechen dürfte.
#1 Häner, Deutsches Staatsrecht Bd. I S. 113, 803. Leipzig 1892.
22 HineEL a. @. O. S. 776. 2® HäÄnEL a, a. O, S. 792.
2 HineL 8. a. OÖ. S. 804.
25 Hinen a. a. O. S. 802-808.