Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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der einzelnen Bundesstaaten „nach Massgabe der Bevölke- 
rung“ aufzubringen sind. 
Der Theorie von HÄner, welche sich lediglich auf den ersten 
Absatz des Art. 78 stützen kann, steht nicht blos der zweite 
Absatz dieses Artikels, sondern auch die zweifellose Absicht des 
(Gesetzgebers entgegen. Art. 78 Abs. 2 ist wörtlich entnommen 
aus den Versailler Verträgen .vom 15., 23. u. 25. Nov. 1870?%, 
in welchen zahlreiche Beschränkungen der angeblich schranken- 
losen Reichskompetenz vereinbart worden sind?®. Dieselben 
Bundesstaaten, welche die Versailler Verträge abgeschlossen hatten, 
haben auch die neue Redaktion der Reichsverfassung vom 16. April 
1871 sanktionirt. Wenn es die Absicht der Gesetzgeber gewesen 
wäre, durch Art. 78 der Verfassung dem Reiche eine schrankenlose 
Kompetenz einzuräumen, so hätten nicht dieselben Gesetzgeber 
bei Vereinbarung der Verfassung die erwähnten Beschränkungen 
der Reichskompetenz verabreden und bei Verkündigung der 
Verfassung diese Beschränkungen der Reichskompetenz aus- 
drücklich aufrecht erhalten können®®, Die Gesetzgeber konnten 
doch unmöglich der Reichsgewalt eine schrankenlose Kompetenz 
einräumen und gleichzeitig anerkennen, dass diese schrankenlose 
Gewalt nicht zuständig sei, „das Verehelichungswesen mit ver- 
bindlicher Kraft für Bayern zu regeln“®!, oder dass die vom 
Reiche zu erlassenden gesetzlichen Bestimmungen über das 
Immobiliar-Versicherungswesen in Bayern nur mit Zustimmung 
der bayrischen Regierung Geltung erlangen könnten®®, Aus dem 
Wortlaut und Geist der Versailler Verträge geht mit Sicherheit 
hervor, dass es keinem der Staaten, welche die Reichsverfassung 
28 SeypEL, Kommentar S. 420—421. 
2? Vgl. z. B. das Schlussprotokoll vom 23. Nov. 1870 (Reichsgesetzblatt 
von 1871 S. 23—26), Ziff, I, II, IV, XII, XIII 
3° 88 des Reichsgesetzes vom 16. April 1871. 
sı Ziff. I des Schlussprotokolls vom 23. Nov. 1870; $ 3 des Reichs- 
gesetzes vom 16. April 1871. 
»2 Ziff. IV a. a. O.
	        
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