Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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geschaffen haben, eingefallen ist, ihre eigene Existenz und Fort- 
dauer von unsicheren Majoritätsbeschlüssen abhängig zu machen, 
dass keiner von ihnen daran gedacht hat, die rechtliche Möglich- 
keit einer Expropriation der Einzelstaaten dem Reiche einzuräumen. 
Art. 78 der Verfassung gewährt also keine unbeschränkte Gewalt, 
sondern eine beschränkte Gewalt. Die Schranke für die Reichs- 
gewalt wird gebildet durch das Recht der Einzelstaaten auf Existenz, 
Gleichberechtigung im Bunde und Schutz der verbrieften Sonder- 
rechte. Die Theorie von HÄnerL beruht also auf irrigen Voraus- 
setzungen und führt daher naturgemäss zu irrigen Konsequenzen. 
IV. 
Die Theorie von Zorn stimmt zum grossen Theil mit der 
Theorie HäneL’s überein. ZOoRN erklärt ebenfalls, dass die 
Souveränetät das erste und oberste begriffliche Merkmal des 
Staates sei: „Ein Gebilde, welches mit Souveränetät für seinen 
Bereich ausgestattet ist, ist Staat; wo die Souveränetät fehlt, 
ist ein Staat nicht vorhanden“ ?®, ZoRN folgert ferner — ganz 
in Uebereinstimmung mit HÄneL — aus Art. 78 der Verfassung, 
dass die Sonveränetät nicht den Einzelstaaten, sondern dem 
Reiche zustehe, und zieht sodann den logischen Schluss: „Im 
strengen Sinne des Wortes sind die Einzelstaaten seit 1. Juli 1867 
bezw. 1. Jan. 1871 keine Staaten mehr, weil ihnen das erste 
Essentiale des Staatsbegriffes, die Souveränetät, fehlt®. Im 
Gegensatz zu HÄner behauptet ZoRN aber weiter, dass die den 
Einzelstaaten verbliebene Rechtssphäre staatsrechtlich als eine 
vom Reiche abgeleitete zu betrachten sei?®, dass aber trotzdem 
die Existenz der Einzelstaaten der Disposition des Reiches ent- 
zogen sei, dass die Einzelstaaten weder für sich allein noch 
8 Dr. PuıLıpp ZoRN, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 2. Aufl. 
Bd. I S. 63—65. Berlin 1895. 
8 ZORN 2. a. O. S. 84. 
85 ZORN a. a. O. 8. 80.
	        
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