Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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„Die Gemeinden jeder Ordnung sind Gebietskörperschaften ohne 
Gebietshoheit; die Grliedstaaten und das Reich sind Gebiets- 
körperschaften mit Gebietshoheit“. Diese Gtebietshoheit ist 
aber keineswegs identisch mit der Souveränetät. Das Wesen der 
Gebietshoheit besteht nach Preuss lediglich in der rechtlichen 
Fähigkeit einer Gebietskörperschaft, sich selbst zu verändern, 
d. h. in der Kompetenz, über jede Veränderung ihrer Grenzen 
selbst zu entscheiden. 
Diese Theorie von Preuss ist bereits von HÄNEL einer 
scharfen, aber trefienden Kritik unterzogen worden‘. HÄNEL 
bezeichnet es mit Recht als auffällig, dass Staat und Gemeinde 
vollkommen wesensgleich und ununterscheidbar sein sollen bis zu 
dem Zeitpunkt, wo an sie die Nothwendigkeit herantritt, über 
ihr Gebiet zu verfügen oder eine solche Verfügung dulden zu 
müssen, dass also eine einzige, verhältnissmässig untergeordnete 
und selten vorkommende Lebensäusserung das ausschliess- 
liche Unterscheidungsmerkmal zwischen Staat und Gemeinde 
bilden soll. „Eine Grenzregulirung ist wesentlich, ein Verfassungs- 
umsturz nicht.“ 
Die Theorie von PreEuss ist jedoch nicht blos einseitig, 
sondern auch direkt unrichtig. Die Einwilligung eines Bundes- 
staats zu einer Gebietsabtretung ist jedenfalls dann nicht er- 
forderlich, wenn diese Gebietsabtretung nach einem unglücklichen 
Kriege die condicio sine qua non für einen Friedensschluss ist. 
Wenn Frankreich nach einem für Deutschland ungünstigen 
Kriege die Abtretung des linken Rheinufers verlangte, so könnte 
der Staat Oldenburg nicht durch seinen Widerspruch gegen die 
Abtretung des Fürstenthums Birkenfeld den Friedensschluss ver- 
hindern und das Deutsche Reich zur Fortsetzung eines möglicher 
— 
4 Dr. Hvco Preuss, Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaften 
S. 406. Berlin 1889. 
“ Hänrt, Zur Revision der Methode und Begriffsbestimmungen des 
Staatsrechts im Archiv für öffentliches Recht Bd. V 8. 457—479.
	        
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