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vi.
JELLINEK findet den juristischen Unterschied zwischen Staat
und Kommunalverband darin, dass die zur Kompetenz des
Kommunalverbandes gehörigen Verwaltungsakte erzwingbar
oder ersetzbar seien, die zur Kompetenz des Staates gehörigen
Verwaltungsakte dagegen nicht*°. Diese Unterscheidung ist nur
theilweise richtig. Wenn ein Kommunalverband die Zinsen
eines von ihm aufgenommenen Darlehens nicht bezahlt, so kann
er zur Leistung dieser Ausgabe allerdings gezwungen werden,
Wenn ein Staat die Zinsen seiner Staatsschuld nicht bezahlt, so
findet ein staatsrechtlicher Zwang zur Leistung dieser Ausgabe
in der Regel nicht statt. Andererseits gibt es zahlreiche Aus-
gaben eines Kommunalverbandes, welche weder erzwungen noch
ersetzt werden können. Das französische Verwaltungsrecht
unterscheidet scharf zwischen Pflichtausgaben der Gemeinden,
welche von den staatlichen Organen zwangsweise in das Gemeinde-
budget eingesetzt werden dürfen, und freiwilligen Ausgaben, bei
denen ein solcher Zwang nicht stattfindet”. Dieselbe Unter-
scheidung zwischen Pflichtausgaben und freiwilligen Ausgaben
macht auch die neue elsass-lothringische Gemeindeordnung vom
6. Juni 189551, Das französische Verwaltungsrecht unterscheidet
ferner scharf Verwaltungsakte, welche der Bürgermeister als
„agent et representant de l’administration centrale* vornimmt,
und Verwaltungsakte, welche der Bürgermeister als „chef de
l’association communale* vornimmt. Nur die erste Klasse dieser
Verwaltungsakte kann vom Staate erzwungen bezw. ergänzt
werden. Auf dieselben findet Art. 15 des Gesetzes vom 18. Juli
1837 Anwendung: „Dans le cas oü le maire refuserait ou ne£-
4 Dr. GEORG JELLINEK, Gesetz und Verordnung S. 202—208. Frei-
burg 1887.
50 Artt. 80 und 89 des französischen Gesetzes vom 18. Juli 1837 über
die Gemeindeverwaltung.
sı SS 65 und 73 des elsass-lothringischen Gesetzes vom 6. Juni 1895.