— 356 —
druck „eigenes Herrschaftsrecht“ verdunkelt wird. Ersetzt man
diesen Ausdruck „eigenes Herrschaftsrecht“ durch „originäres
Herrschaftsrecht“, so ergibt sich folgender Unterschied: Der
Staat hat originäre Herrschaftsrechte; der Kommunalverband
kann niemals originäre, sondern stets nur derivative Herrschafts-
rechte haben.
Allein dieser Unterschied ‚besteht nur im modernen Recht.
Bis in unser Jahrhundert hinein hat es gewohnheitsrechtliche
Bildungen gegeben, nach welchen auch anderen Personen als dem
Staat Herrschaftsrechte zustanden, die weder delegirt noch ab-
geleitet, sondern originär erworben waren. Die Grundherrschaften
der deutschen Rechtsgeschichte besassen gleichfalls eine Herrschaft
über Land und Leute, welche sich nicht auf das Gebiet des Ver-
mögensrechts beschränkte, sondern auch auf das Gebiet des öffent-
lichen Rechts, auf gerichtliche, polizeiliche und sonstige Macht-
befugnisse erstreckte®®. Diese Polizeigewalt, Gerichtsbarkeit und
sonstigen Hoheitsrechte, welche die Rittergüter früher besassen
und welche die mecklenburgischen Rittergüter theilweise noch
besitzen, beruhen nicht sämmtlich auf staatlicher Verleihung,
sondern sind zum Theil auch durch Usurpation und Ersitzung
erworben, ebenso wie die privaten Herrschaftsrechte, welche die
Rittergüter über ihre hörigen Hintersassen hatten, auf sehr ver-
schiedenartigen Rechtstiteln beruhen und — theilweise wenigstens
— durch Gewohnheitsrecht entstanden sind. Gleichwohl waren
die Rittergüter keine Monarchien und die Rittergutsbesitzer keine
Monarchen!
Es hat also ausser dem Staat noch andere physische und
juristische Personen gegeben, welche auf einem räumlich begrenzten
Gebiet originäre Herrschaftsrechte besassen. Das originäre Herr-
schaftsrecht ist demnach kein ausschliessliches Merkmal des
66 C, F. v. GERBER, System des deutschen Privatrechts. 14. Aufl. S. 79.
Jena 1882,