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das gute Recht, das von jenem begonnene Werk fortzusetzen und mit dem
Vorbehalt des Inventars neu in Angriff zu nehmen. Der Verf. der neuen
Bearbeitung, ein an hervorragender Stelle wirkender Praktiker mit feinem
Gefühl für die Bedürfnisse der theoretischen Fundirung des Rechtsgebietes,
geht dieser Aufgabe nach, indem er, wie mir scheint, mehr aus Gründen der
literarischen Kontinuität und Pietät, denn aus sachlich-stofflichen, das Buch
Lewis’ zur Grundlage nimmt für die umfassende Revision, Ergänzung und
Vertiefung der deutschen Seerechtslehre. Ob dieses Segeln unter der Flagge
des Verf. des ersten Kommentars für die zumeist vom Grund aus neue Dar-
stellung nothwendig oder auch nur vortheilhaft gewesen, wird erst der weitere
Verlauf erkennen lassen. Uebersichtlicher ist das Werk dadurch nicht ge-
worden, je mehr Verf. gerade aus Eigenem dem ursprünglichen Rahmen ein-
zuschalten bemüht ist. Gehaltvoller und reichhaltiger wird es aber dabei un-
zweifelhaft, trotz der enormen auch rein textlichen Schwierigkeiten, mit denen
BovEns gerade in der Zeit des Ueberganges zum System des Bürgerlichen
Gesetzbuches, der Neuredaktion des Handelsgesetzbuchs und der übrigen
zahlreichen Rechtsmaterien zu kämpfen hat. Wie schwankend der Boden ist,
auf dem hier die dogmatische Arbeit ruht, zeigt wieder die Jüngste nicht
unwesentliche Aenderung des Rechtszustandes durch das Reichsgesetz vom
22. Juni 1899 betreffend das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe, die das
soeben erst neuredigirte Handelsgesetzbuch in einer wichtigen Frage des
Reedereirechts und der Fortdauer der Nationalität des Schiffes ergänzt
bezw. durchbricht.
Die Verarbeitung der Rechtssätze des öffentlichen Rechts, die so
dicht im Geflechte der ganzen Materie sitzen, dass eine scharfe Trennung
nach der inneren Struktur kaum durchführbar ist, wird im neueren Kommentar-
werke grössere Berücksichtigung schon aus dem Grunde finden, weil der seit
dem Erscheinen Lewis’ vollzogene Ausbau unseres Kolonialrechts, die Er-
weiterung der Interessenspbären der deutschen Seeschifffahrt in Verbindung
mit der sozialpolitischen Gesetzgebung des Reiches den öffentlichrechtlichen
Fragen dieses Zweiges der nationalen Wirthschaftspflege einen Rugk in den
Vordergrund fachlichen Interesses gegeben haben, wie er kräftiger sich kaum
im Rechtssystem anderer Staaten und Völker nachweissen liesse. Es steht daher
in unserer berechtigten Erwartung, dass die zahlreichen für das System der
deutschen Verwaltung wichtigen Materien, die im älteren Werk nicht aus-
reichend berücksichtigt wurden und die doch gleichwohl einen wesentlichen
Theil des nationalen Seerechts ausmachen, unter der neuen formgebenden
Kraft Bovens der Lehre an geeigueter Stelle werden eingefügt werden, um
den Grundstock der privatseerechtlichen Darstellung angemessen zu ergänzen.
Schon im jetzt Gebotenen liegen sehr werthvolle Detailausführungen öffentlich-
rechtlichen Inbalts vor in dem literargeschichtlichen Theil der Einleitung
und im neuen Kapitel über die örtliche Geltung der seerechtlichen Gesetze,
obwohl gerade hier Verf. nicht immer genügend den Schwierigkeiten Rech-