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liche Massregeln gegen den Nachdruck, obwohl letzterer in gewissen Fällen
schon kraft allgemeiner Rechtsanschauung als Rechtswidrigkeit galt, und dem
gemeinen Rechte sogar schon die Idee eines geistigen Eigenthums, wenn
auch noch nicht in voller Klarheit, vorschwebte.
Wenige Jahre nach endgiltiger Beseitigung der Censur (1694) gewährte
ein Gesetz (Act 8 Anne c. 19 ex 1709) zum erstenmale dem Urheber in
der Form besonderer strafrechtlicher und prozessualer Hilfsmittel einen aus-
giebigen, aber zeitlich sehr beschränkten Rechtsschutz gegen den Nach-
druck, und auf dieser Grundlage vollzog sich die Weiterbildung des Urheber-
rechts in England bis zum heutigen Tage; nur sah man sich genöthigt, die
ursprünglich sehr kurzen Fristen bedeutend zu erweitern und auch künstleri-
sche und musikalische Werke für schutzberechtigt zu erklären. Die Auffassung
über das Wesen des Urheberrechts wurde jedoch im 18. Jahrhundert eine
völlig andere. Eine Zeitlang nach der Act Anne hielt man noch in Wissen-
schaft und Rechtsprechung daran fest, dass das Urheberrecht ein nach Art
des Eigenthums gestaltetes, mithin ewiges Recht sei, welches daher auch
nach Ablauf der in der Act Anne normirten Schutzfrist fortbestehe, und einen,
wenn auch nicht mehr so intensiven Schutz geniessen müsse. Unter dem
Eindrucke der Lehren eines Anpam SMITH, und seitdem in der Rechtswissen-
schaft das Eigenthum als ein nur an körperlichen Sachen bestehendes Recht
hingestellt wurde, erblickte man aber auch in England im Autorrecht
mehr und mehr ein Monopol des Urhebers, das im Interesse des freien
Verkehrs möglichst beschränkt sein müsse. In Folge dessen, aber auch
durch äussere Umstände, namentlich durch den Kampf der Londoner Buch-
händler mit den Provinzialen veranlasst, wurde in Theorie und Praxis seit.
1774 die Act Anne als einzige Quelle eines Urheberschutzes be-
trachtet. Nur nimmt die Rechtssprechung auch heute noch für das noch
nicht veröffentlichte Geisteswerk den Schutz des Common law in Anspruch.
Bei der neuesten Zeit angelangt, versäumt es ÖSTERRIETH nicht, eine
detaillirte Darstellung des geltenden englischen Urheberrechts mit Einschluss
der für die Kolonien und im internationalen Verkehre bestehenden Normen
zu geben, und schliesst seine lehrreichen Ausführungen mit einem kurzen
Hinweise auf die Reformbestrebungen der letzten 20 Jahre. Als Vertreter
jener Auffassung, die im Autorrechte ein dem körperlichen Eigenthume gleich-
kommendes Recht sieht, erwartet er eine Besserung des systemlosen und
verworrenen Rechtszustendes in England nur von einer Rückkehr zu den
Anschauungen jener älteren englischen Juristen, welche die Theorie des
geistigen Eigenthums vertreten haben. Darin wird er wohl kaum auf all-
gemeine Zustimmung rechnen dürfen.
Wien, im Juni 1897. Dr. v. Wretschko.