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mässige Verpflichtung des Präsidiums zur Verkündigung der
Gesetze zulässig. Um auf diesen Einwurf antworten zu können, be-
darf es zuvörderst eines näheren Eingehens auf die berühmte
„Stimme des Präsidiums“.
Zufolge der Annahme des Kaisertitels durch den König von
Preussen, durch welche sich dieser bereit erklärte, „fortan den
kaiserlichen Titel in allen Beziehungen und Angelegenheiten des
deutschen Reiches (zu) führen“, beseitigte die Redaktion der
Reichsverfassung die bisherigen Verschiedenheiten in der Bezeich-
nung des Bundesoberhauptes in der Verfassungsurkunde, indem
sie die Ausdrücke „Bundespräsidium“, „Bundesfeldherr“, „König
von Preussen“ regelmässig durch die einheitliche Bezeichnung
„Kaiser“ ersetzte!?®. Auffallenderweise hat sich aber als Ueber-
schrift des Tit. IV R.-V. und in den Artt. 5, 7, 8 und 37 die
frühere Bezeichnung „Präsidium“ erhalten. Die Behauptung,
dass es sich hierbei um eine Ungenauigkeit der Redaktion handle,
in deren Folge man es mit einem „sach- und sinnwidrigen Ueber-
bleibsel aus dem Verfassungsentwurfe“ zu thun habe (so z. B.
ZORN, Rstr., 2. Aufl. Bd. I 8. 161 N. 35) ist nicht aufrecht zu
halten gegenüber einer ausdrücklich vom Präsidenten des Bundes-
kanzleramtes am 10. Dez. 1870 im Reichstage abgegebenen
Erklärung (Sten.-Ber. S. 167), der zufolge man sich der nicht
blos formellen Bedeutung der durch die Einsetzung der Worte
„Kaiser“ und „Reich“ in die Reichsverfassung verursachten Ver-
13 Nur in den Artt. 70 und 72 ersetzte man die Bezeichnung „Präsidium“
durch „Reichskanzler“, weil man wohl, wie v. Heio (Verf. des d. Reiches
1872, 8.89) und Hznszı (Annalen 1882, S. 2) mit Recht vermuten, „die durch
die fraglichen Artikel vorgeschriebene Kontrolle mit der kaiserlichen Stellung
unverträglich erachten mochte“. Eine sachliche Aenderung sollte jedenfalls
hierdurch nicht bewirkt werden. — Gleiches wird davon zu halten sein, dass
in Art. 50 Satz 2 die in dem Worte „dasselbe“, wie es die nordd. Bundes-
verfassung aufweist, zum Ausdruck gelangende unmittelbare Beziehung auf
das Präsidium nach dem Text der Reichsverfassung fortgefallen ist zufolge
der Ersetzung jenes Wortes durch die Wendung: „die von ihm bestellten
Behörden.“