Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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Soweit ich sehe, hat sich nur v. Mor (Rstr. S. 236) für 
die Ansicht erklärt, dass das hier statuierte Recht auch auf einen 
nichtpreussischen Bundesratspräsidenten überginge; sonst wird in 
der Litteratur einmütig der entgegengesetzte Standpunkt ver- 
treten !®, meines Erachtens mit Recht, obwohl die dafür anzu- 
führenden Gründe als vollständig überzeugend nicht bezeichnet 
werden können. 
Zunächst könnte man gegen v. Mont geltend machen, dass 
dem Reichstagspräsidium das Recht, bei Stimmengleichheit im 
Reichstage den Ausschlag zu geben, nicht zusteht (vgl. Art. 28 
Abs. 1 R.-V.), woraus zu folgern, dass die Reichsverfassung den 
Grundsatz nicht kenne, dem Leiter der Verhandlungen als solchem 
den Ausschlag bei Stimmengleichheit zuzuweisen; darum reiche 
der Hinweis auf die formale Präsidialstellung im Bundesrate nicht 
aus, um das in Art. 7 Abs. 3 statuierte Vorzugsrecht der „Prä- 
sidialstimme“ zu erklären. Die Schwäche dieses Argumentes ist 
nicht zu verkennen, zumal wenn man obendrein bedenkt, dass 
beispielsweise in der Erfurter Unionsverfassung vom 26. Mai 1849 
die Frage nach dem Recht des Stichentscheides des Präsidiums 
für die beiden Häuser des Reichstags einerseits und das Fürsten- 
kollegium andererseits auch verschieden geregelt war, indem in 
letzterem Preussen und bei seiner Verhinderung am Vorsitz 
Bayern den Ausschlag bei Stimmengleichheit geben sollte (s. Er- 
furter Unionsverf. v. 26. Mai 1849, Abschn. III Art. III 88 76. 
u. Abschn. IV Art. V 8 96); wenn also in diesem für die Reichs- 
verfassung in vielen Stücken vorbildlichen Erfurter Entwurfe der 
Fall der Stimmengleichheit für die verschiedenen Kollegien ver- 
schieden geregelt war, weshalb sollte dies nicht auch in der Reichs- 
verfassung der Fall sein können? 
Weiterhin könnte man sich für die herrschende Ansicht 
darauf berufen, dass der Vorsitz im Bundesrate ein Recht des 
16 Zweifelhaft ist die Ausdrucksweise bei KiITTEL a. a. 0. S. 37.
	        
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