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vom staatsrechtlichen Standpunkte aus entschieden falsch. Dies
mochte vorerst verdeckt bleiben, da man die Konsequenzen der
Annahme des Amendements v. BENNIGSEN zunächst überhaupt
nicht übersah. Aber als man sich bei der Redaktion der Reichs-
verfassung anschickte, in einheitlicher Terminologie die Bezeich-
nung „Kaiser“ überall da einzuführen, wo das Bundesoberhaupt
als selbständiges Bundesorgan erschien, musste jeder unbemerkt
erfolgte Missbrauch des Ausdruckes „Präsidium“ an den Tag
kommen; denn in der Wiedererrichtung des deutschen Kaiser-
tums war die staatsrechtliche Selbständigkeit der Bundespräsidial-
gewalt gegenüber der preussischen Staatsgewalt mit solcher Evi-
denz hervorgetreten, dass die Verwendung der Bezeichnung
„Kaiser“ da, wo es sich um Rechte des Bundesgliedes Preussen
handelte, der Redaktion bei einem einigermassen sorgfältigen
Verfahren — und dies ist durch die bereits erwähnte Versiche-
rung DELBRÜCK's verbürgt — unmöglich scheinen musste. In
solchen Fällen blieb darum nichts anderes übrig, als entweder
den bisherigen inkorrekten Ausdruck beizubehalten oder die Ge-
legenheit zu benutzen und die allein richtige direkte Beziehung
auf Preussen einzusetzen; jenen Weg hat man vorgezogen, viel-
leicht aus Rücksicht auf die zum Teil leicht empfindlichen ver-
bündeten Regierungen, vielleicht auch weil man sich zu dem andern
Ausweg nicht für berechtigt hielt.
In dieser meines Erachtens einfachen und natürlichen Weise
ist die Beibehaltung des Ausdruckes „Präsidium“ in den Artt. 5
Abs. 2, 7 Abs. 3, 8 Abs. 2 und 37 zu erklären. Zum Beweise
dieser Behauptung bedarf es des Nachweises, dass es sich an den
genannten Orten in der That um Rechte des Gliedstaates Preussen
und nicht des Kaisers in seiner Eigenschaft als Bundespräsidial-
organ handelt.
Bereits oben (S. 39ff.) ist nachgewiesen worden, dass es
sich bei den fraglichen Bestimmungen um Rechte des Bundes-
ratspräsidiums nicht handelt; ebenso unmöglich erscheint mir