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welche die Wahrnehmung des Amtes unentgeldlich übernehmen können, und
dies richtet sich theils nach den Anforderungen, welche das Amt an die
Thätigkeit seines Inhabers stellt, theils nach dem Stande der Bildung, des
Vermögens, des Interesses an den öffentlichen Angelegenheiten und den
politischen Gewohnheiten der Bevölkerung. Macht man ein Amt, welches
die volle Thätigkeit eines geschäftskundigen Mannes erfordert, zum Ehren-
amt, so wird dies leicht die Folge haben, dass der dazu Berufene auch nur
die Ehren des Amtes einheimst und allenfalls die Repräsentationspflichten
erfüllt, die eigentliche Geschäftsführung und Arbeitsleistung aber unter-
geordneten besoldeten Beamten zufällt, wie dies z. B. in der französischen
Gemeindeverwaltung häufig der Fall ist. Auch die Vortheile, welche der
Verf, nach dem Muster von Gneist dem Ehrenbeamtenthum nachrühmt,
scheinen mir übertrieben zu sein. Allerdings sind die Inhaber von Ehren-
ämtern vom Minister unabhängig und in der Regel frei vom Streberthum;
dagegen sind sie nicht selten um so abhängiger von Nachbarschaft und Kund-
schaft, von konfessionellen und politischen Koterien oder von zufällig sich
bildenden Kliquen. Wenn die Ehrenämter durch Wahl besetzt werden, was
der Verf. als selbstverständlich ansieht, so besteht die Möglichkeit, ja Wahr-
scheinlichkeit, dass alle Nachtheile, welche mit dem Kampf und Sieg der
Parteien verbunden sind, sich auch auf das Gebiet der Selbstverwaltung aus-
dehnen. Der Verf. setzt mit überzeugender Beredsamkeit auseinander, dass
es überaus rathsam sei, die Aemter der Selbstverwaltung Männern von Bil-
dung und pekuniärer Unabhängigkeit zu übertragen, und dass andererseits
die Aristokratie ihren Einfluss und ihr Ansehen sich nur erhalten könne,
wenn sie in uneigennütziger und selbstloser Weise die Lasten und Mühen
der Selbstverwaltung übernimmt; er giebt aber keine Lösung des Problems,
wie die Erhaltung des aristokratischen Charakters der Selbstverwaltung mit
der Besetzung der Aemter durch die Walıl der Massen in Einklang gebracht
werden kann. Die Erfahrung lehrt, dass klerikale, sozialdemokratische,
agrarische und andere Demagogen bei Kommunalwahlen nicht zurückhaltender
sind wie bei Wahlen zum Parlament. Während der Verf. die Schattenseiten
und Gefahren des parlamentarischen Systems mit Schärfe auseinandersetzt,
huldigt er hinsichtlich der Uebertragung dieses Systems auf die Organisirung
der Selbstverwaltung einem grossen Optimismus, der ihn verführt, diejenigen
Beschränkungen und Sicherungsmassregeln unbeachtet zu lassen, welche
durchaus erforderlich sind, um die Gefahren abzuwenden, welche ohne sie
mit dem System der Selbstverwaltung verbunden sind. Laband.
Ignazio Tambaro, Le Relazioni fra la Costituzione el’Amministra-
zione. Parte Prima. Napoli, G. Regina, 1898. 74 S. 8°,
Das Heft enthält interessante Erörterungen über das Verhältniss der
Verwaltung zu den anderen staatlichen Funktionen. Den Ausgangspunkt
Archiv für öffentliches Recht. XIV. 4. 37