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X. 8. Combotheera, Avocat ä Geneve, La Conception juridique de
l’Etat. Paris, Larose, 1899. 185 S. 8%. Frs. 6.—.
Die hier ‘vorliegende Schrift ist bereits in einzelnen Abschnitten seit
1890 in der Revue generale du Droit, in der Revue du droit public et de
la science politique, im Archivio del diritto pubblico u. a. erschienen; diese
Ausführungen sind zu einer systematisch abgerundeten Staatslehre zusammen-
gefasst. Sie ist inhaltlich und formell höchst sonderbar; die längst für ab-
gethan gehaltene scholastische Art der Behandlung taucht in dieser Arbeit
plötzlich wieder auf; der Staat wird wie eine Gleichung mit einer un-
bekannten Grösse, deren Auflösung erfolgen soll, behandelt; es wird viel
Fleiss und Scharfsinn verschwendet, und das Resultat ist nach meiner Ansicht
von sehr geringem Werth. Schon die Einleitung über die Rechtswissenschaft
im Allgemeinen zeigt, was man von den folgenden Untersuchungen zu er-
warten hat; sie enthält zahllose Eintheilungen und Untereintheilungen. Ein
Muster dafür ist der $ 3, welcher die „Elemente“ des Rechts behandelt.
Der Verf. unterscheidet innere und äussere; die inneren sind ein Herr, ein
Unterthan, ein Destinatär, ein Verpflichtungsfähiger (un destinateur; c’est un
corps muni de la capacite de souffrir des obligations), ein Organ, ein Objekt,
ein Thun oder Unterlassen, eine juristische Thatsache, eine gesellschaftliche
Beziehung; die äusseren Elemente sind ein Gesetzgeber, eine Vorschrift, eine
Sanktion. Diese „Elemente“ werden dann in kurzen Sätzen definirt und
meistens weiter eingetheilt. In ähnlicher Art werden die Formen, die Seiten,
die Zweige des Rechts behandelt. Das erste Kapitel erörtert die Öffentliche.
Gewalt. Der Verf. leitet sie ab aus dem Willen der Individuen, welche
sich zu ihrer Errichtung vereinigten, er steht also auf dem Standpunkt des
Staatsvertrages. Im Stast kämen in erster Reihe die übereinstimmenden
Willen der Einzelnen zur Erscheinung; der Ausdruck ihres Willens ist
das Gesetz, dessen Geltung auf der volonte generale beruhe. Es gelte nur
so lange als es wenigstens stillschweigend von der volonte generale geduldet
wird. Der Wille sei unantastbar; er könne durch keine Gewalt unterdrückt
werden, es sei denn, dass er sich selbst unterwirft; die öffentliche Gewalt
könne keine volonte generale erzeugen und sei einer ihr entgegenstehenden
gegenüber machtlos. „Die Regierung hat das Gesetz auszuführen, sie hat
die öffentliche Gewalt in Bewegung zu setzen; die Regierung befiehlt mittelst
des Gesetzes und die öffentliche Gewalt vollstreckt die auf diese Art ge-
gebenen Befehle, die Regierung hat die Pflicht, sich nach dem Gesetz zu
richten wie das einfache Individuum“ (S.26). Indieser Weise werden durch
die ganze Schrift hindurch Behauptungen aneinander gereiht, welche theils
paradox, theils triviel sind, und welche als keines Beweises bedürfende Wahr-
heiten hingestellt werden. Die Gegenüberstellung von Regierung, Öffentlicher
Gewalt, Gesetz und Volkswillen führt ihn zu Begriffsspielereien und Wider-
sprüchen; nur den Standpunkt der radikalsten Demokratie hält er mit Kon-
sequenz fest. Sowie im ersten Kapitel mit der öffentlichen Gewalt, so ver-
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