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daes hier in der Fragestellung selbst der logische Fehler, die Fälschung des
Problems liegt. Denn die Frage, wer kann Rechte und Pflichten haben,
setzt bereits den Begriff des Rechts und der Pflicht voraus und enthält
implicite die Antwort, weil das subjektive Recht ein rechtsfähiges Subjekt,
eine Person, voraussetzt. Die Vereinigungen von Menschen zu gewissen
Zwecken und diese Zwecke selbst sind keine Schöpfungen des Rechts; aber
die Fähigkeit dieser Vereinigungen, zur Erreichung dieser Zwecke selb-
ständige Träger von Rechten und Pflichten zu sein, ist ein vom Recht ver-
liehenes Attribut. Der Verf. vertheidigt sodann (S. 128ff.) die Rechts-
persönlichkeit des Staats gegen die Angriffe, welche von Seiten der sog.
empirischen Schule gegen dieselbe gerichtet worden sind, weil den juristi-
schen Personen die Willensfähigkeit mangele. Wollen kann allerdings nur
der Mensch, aber der Wille von Menschen kann unter den von der Rechts-
ordnung gegebenen Voraussetzungen als der Wille einer juristischen Person
rechtlich gelten, ihren Willen ersetzen, sie vertreten. In eingehender Weise
erörtert der Verf. sodann das Verhältniss des Staats zum Fiskus (S. 139 £f.);
er widerlegt die Ansicht, dass man im Staat zwei verschiedene Personen,
die öffentlichrechtliche und die privatrechtliche zu unterscheiden habe; die
einheitliche Person des Staats kann sich mit öffentlichen und privaten Rechten
ausstatten, aber sie bleibt hinsichtlich beider dieselbe rechtliche Fähigkeit,
Subjekt von Rechten zu sein. Dies giebt dem Verf. Veranlassung, den Unter-
schied der öffentlichen und privaten Rechte zu untersuchen; er kommt zu
dem Resultat, dass sich eine scharfe und fest bestimmte Grenzlinie zwischen
beiden Arten nicht ziehen lasse, und dass es gemischte Rechte gebe, welche
beiden Gebieten zugleich angehören. Da der Verf. innerhalb des Staats-
organismus subjektive Öffentliche Rechte anerkennt, deren Inhalt in einer
Theilnahme an der Ausübung staatlicher Funktionen besteht, und diese Rechte
Subjekte haben müssen, denen sie zustehen, so gelangt er zu der Annahme,
dass innerhalb der einheitlichen Staatspersönlichkeit es eine Mehrheit unter-
geordneter oder dem Staat eingeordneter Personen gebe, welche als solche
eine von der Staatspersönlichkeit verschiedene eigene Persönlichkeit haben.
Dazu rechnet er die „Krone“ im Gegensatz zum individuellen Könige und
die „Kammern“ im Gegensatz zu den zeitweiligen Mitgliedern derselben,
sowie in einer niedrigeren Sphäre den Gemeinderath im Gegensatz zu den
Mitgliedern, welche ihn bilden. Dies ist nach meiner Ansicht ein Irrthum.
Man ‘kann und muss ein subjektives Recht des Königs, d. h. des bestimmten
zum Thron berufenen menschlichen Individuums auf die Krone, des ge
wählten Abgeordneten oder des erblich Berechtigten auf die Mitgliedschaft
im Parlament annehmen; wenn man aber jedes einzelne Organ des Staats
zu einer vom Staat verschiedenen Persönlichkeit und jede, diesen Organen
verfassungsmässig übertragene Funktion zu einem subjektiven Recht dieser
Organe macht, so erhebt sich die Frage, was vom „Staat“ noch übrig
bleibt, welohe Rechte der Staat noch im Gegensatz zu den Rechten seiner