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oder durch besondere von letzterem zu ernennende Kommissarien
vertreten werden.“
Sollte der Wortlaut dieses Artikels, losgelöst aus dem
Rahmen der Verfassung, irgend welchen Zweifeln darüber Raum
geben, ob es sich in Art. 16 um ein freies Recht oder um eine
verfassungsmässige Pflicht des Kaisers handle, so würde schon
aus dem Grunde letzterer Ansicht der Vorzug zu geben sein,
weil sie allein mit dem in Art. 5 R.-V. ausgesprochenen Grund-
satz des Reichsstaatsrechts in Einklang steht. Ausserdem be-
stätigt die Geschichte des Art. 16 diese Auffassung. In dem
preussischen Entwurf zur Verfassung des norddeutschen Bundes
ist die entsprechende Vorschrift als Art. 18 folgendermassen
gefasst:
„Das Präsidium hat die erforderlichen Vorlagen an den
Reichstag zu bringen, wo sie“ etc. (wie jetzt Art. 16 R.-V.)
Hierzu wurde im Verlaufe der Beratungen, welche die Bevoll-
mächtigten der verbündeten Regierungen über den preussischen
Entwurf hielten, das Amendement gestellt:
„hinter ‚Vorlagen‘ einzuschalten: ‚nach Massgabe der Be-
schlüsse des Bundesrates‘.*
Dieses Amendement wurde angenommen, und in der so
veränderten Fassung ging der Art. 18 des preussischen Entwurfes
als Art. 17 in den Entwurf der verbündeten Regierungen und
weiterhin als Art. 16 in die definitive Verfassung des norddeutschen
Bundes über. Die Redaktion der Reichsverfassung hat dem Art. 16
dann endlich seine jetzige Gestalt gegeben, welche von den früheren
Fassungen besonders durch den Mangel der imperativischen Form
absticht.
Verschiedene Punkte seiner Entstehungsgeschichte gestatten
einen Einblick in die ursprüngliche Tendenz des Artikels. Zu-
nächst ist zu beachten die noch in der norddeutschen Bundes-
verfassung erscheinende imperativische Form („das Präsidium
... hat zu bringen“), alsdann der Umstand, dass man im
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