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daktion der Reichsverfassung verfassungsmässige Bestätigung ge-
funden. Nunmehr ist es definitiv festgestellt, dass das in Art. 16
statuierte Recht ein eigenes und nicht ein vom Bundesrate abge-
leitetes Recht des Kaisers ist. Nur so ist es zu erklären, dass man
die Bezeichnung „Kaiser“ in diesen Artikel übernahm, und dass man
die frühere imperativische Form beseitigte, während man sich
anderenfalls damit begnügt haben würde — ähnlich wie in den
Artt. 70 und 72 — den Ausdruck „Präsidium“ durch „Reichs-
kanzler“ zu ersetzen. Unrichtig wäre es aber, wollte man aus
der Aenderung, welche Art. 16 bei der Redaktion der Reichs-
verfassung erfahren hat, schliessen, die frühere Verpflichtung des
Präsidiums zur Einbringung der Bundesratsvorlagen an den Reichs-
tag bestehe für den „Kaiser“ nicht. Einer solchen Behauptung stehen
— abgesehen von den klaren Bestimmungen des Art. 5 R.-V. —
einmal die Worte: „nach Massgabe der Beschlüsse des Bundesrates“
entgegen, welche bei der Redaktion des Art. 16 vollständig un-
verändert geblieben sind; weiterhin würde, wenn durch die Aen-
derung des Wortlauts dieses Artikels eine materielle Aenderung
des Verfassungsrechtes hätte bewirkt werden sollen, dies aus-
drückliche Erwähnung in den Motiven zu dem Gesetze betr. die
Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 gefunden
haben. Dieselben versichern ausdrücklich, materielle Aenderungen
würden durch die Redaktion nur, soweit dies besonders hervor-
gehoben, bewirkt, und berühren den Art. 16 in keiner Weise.
Mit Recht hat endlich noch HArnEL?? darauf hingewiesen, dass,
wenn der Kaiser die Bundesratsvorlagen dem Reichstag vor-
enthalten dürfte, die Stellung der beiden legislativen Körper-
schaften des Reiches hinsichtlich der gesetzgeberischen Initiative
in einer dem Geiste der Reichsverfassung offenbar widersprechenden
Weise verschieden sein würde, indem dann einem ungehemmten
Rechte zur Initiative auf Seiten des Reichstages ein an das kaiser-
27 Stud. II S. 47f.