Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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Andererseits kann man sich gegen die hier vertretene An- 
sicht nicht darauf berufen, ihr widerspräche die Thatsache, dass 
Ausfertigung und Verkündigung notwendige Bestandteile des 
Reichsgesetzgebungsverfahrens seien und zur ausschliesslichen Zu- 
ständigkeit eines unmittelbaren und selbständigen Reichsorganes 
gehörten. Es ist richtig — trotz des anscheinend abweichenden 
Sprachgebrauches der preussischen und der Reichsverfassung —, 
dass die Ausfertigung und die Verkündigung der Gesetze wesent- 
liche Bestandteile des Reichsgesetzgebungsverfahrens sind®!. Denn 
wenn nach Art. 2 R.-V. die Verkündigung eben derjenige Akt 
ist, durch welchen die Rechtsverbindlichkeit der Reichsgesetze 
herbeigeführt wird, die Ausfertigung aber, indem sie die Existenz 
eines verfassungsmässigen Reichsgesetzgebungswillens bestimmten 
Inhalts beurkunden soll, nach der zweifellosen Absicht der Ver- 
fassungsgesetzgeber schon für die Verkündigung massgebend sein 
soll, so sind eben Ausfertigung und Verkündigung notwendige 
Akte innerhalb des Reichsgesetzgebungsverfahrens. Aber beide 
bezwecken lediglich, die notwendige Erscheinungsform des Reichs- 
gesetzgebungswillens herzustellen, mit der Bildung des gesetz- 
geberischen Willens haben sie nichts zu schaffen; sie sind darum, 
obwohl sie dem Reichgesetzgebungsverfahren angehören, nicht 
Akte der gesetzgebenden, sondern der vollziehenden Gewalt. Es 
ist deshalb begrifflich durchaus möglich, dass zur Vornahme der 
Ausfertigung und Verkündigung eine Verpflichtung besteht. Da- 
durch nun, dass eine Verfassung ein bestimmtes Organ bestellt, 
durch welches allein die Ausfertigung und Verkündigung rechts- 
gültig vorgenommen werden kann, wird an der rechtlichen Mög- 
lichkeit, dass die Vornahme jener Akte eine Pflicht dieses Or- 
°! Es kann hier bei den positiven Bestimmungen der Reichsverfassung 
füglich dahingestellt bleiben, ob Ausfertigung und Verkündigung beide aus 
dem Wesen des Staates entspringende Erfordernisse eines jeden Gesetzgebungs- 
verfahrens seien (so bes. LaBanp und ZoRN) oder nur Forderungen positiven 
Rechtes (so GIERKE, Zeitschr, f. d. Privat- und öffentl. Recht VI S. 230f. und 
Mrvzr, Annalen 1878, S. 372ff., Rstr. S. 495 N., bezüglich der Ausfertigung).
	        
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