Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierzehnter Band. (14)

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ganes ist, in keiner Weise etwas geändert, selbst dann nicht, 
wenn die Verfassung keine ausdrücklichen Bestimmungen für 
den Fall treffen sollte, dass das berufene Organ die Erfüllung 
seiner Pflicht verweigert. Unter der letzten Voraussetzung erwächst 
allerdings dem zur Ausfertigung und Verkündigung berufenen 
Organe die thatsächliche Möglichkeit eines Vetos gegen jedes neue 
Gesetz; aber der Gebrauch dieser Möglichkeit wäre ein offenbarer 
Verfassungsbruch und darum auch — abgesehen von einer 
eventuellen rechtlichen Verantwortlichkeit — zum mindesten ein 
politisch gewagtes Experiment. Diese Erörterung mag leicht allzu 
selbstverständlich erscheinen; es hat aber in der That v. RuviLLE 
(Das deutsche Reich etc. S. 213) daraus, dass die Reichs- 
verfassung kein Auskunftsmittel für den Fall angiebt, dass der 
Kaiser einem Gesetze Ausfertigung und Verkündigung verweigert, 
geschlossen, Artt. 2 und 17 R.-V. verliehen dem Kaiser ein 
Recht zu jener Weigerung. Nein, kein Recht, sondern nur — 
unter Bruch der Grundlage des Staates, der Verfassung, — die 
thatsächliche Möglichkeit eines Vetos ist dem Kaiser gegeben; 
wenn aber die am Gesetzgebungsverfahren mitwirkenden Organe 
des Staates ın dieser ihrer Thätigkeit die Verfassung brechen 
wollten, wie könnten sie dann von den Staatsangehörigen Be- 
folgung der Rechtsordnung verlangen! 
Wenn hiernach Ausfertigung und Verkündigung der Reichs- 
gesetze verfassungsmässige Pflichten des Kaisers sind, so handelt 
dieser doch bei Vornahme jener Akte nicht im unmittelbaren 
Auftrage vielleicht des Bundesrates oder des Bundesrates und 
Reichstages gemeinsam oder der verbündeten Regierungen, son- 
dern er handelt dabei aus eigenem Rechte, unmittelbar auf 
Grund der Verfassung; seine Stellung hier ist die gleiche wie im 
Falle des Art 16. Es folgt dies daraus, dass unter keinen Um- 
ständen Bundesrat und Reichstag oder die verbündeten Re- 
gierungen oder sonst jemand es vermöchten, unter Umgehung des 
Kaisers einem Reichsgesetze verfassungsmässige Verbindlichkeit
	        
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