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deutschen Einzelmonarchien der König sich seines gesetzgebe-
rischen Willens nicht schon durch die Vorlegung eines Gesetz-
entwurfes vor die Kammern entäussert, sondern erst dadurch,
dass er dem daraufhin von den Kammern gefassten Beschluss
seine „Sanktion“ erteilt oder verweigert®®.
Die geschilderte Stellung des Bundesrates zu den sämtlichen
vom Reichstage angenommenen Gesetzentwürfen ist für die dem
Kaiser aus Art. 17 R.-V. zustehenden Rechte der Ausfertigung
und Verkündigung insofern von Bedeutung, als der Kaiser niemals
unmittelbar aus einem Reichstagsbeschluss die Berechtigung em-
pfängt, einen Gesetzentwurf als Reichsgesetz auszufertigen und
zu verkündigen, selbst dann nicht, wenn der Reichstag eine durch
den Kaiser an ihn gebrachte Bundesratsvorlage unverändert an-
genommen haben sollte; sondern immer erst auf einen nach der
Beschlussnahme des Reichstages über einen Gesetzentwurf er-
gangenen gleichlautenden Bundesratsbeschluss hin ist der Kaiser
im konkreten Falle zur Ausfertigung und Verkündigung befugt,
vorausgesetzt ausserdem, dass die sonstigen Bedingungen er-
füllt sind.
Ist ein solcher Bundesratsbeschluss dem Kaiser durch den
Vorsitzenden des Bundesrats übermittelt, so hat der Kaiser —
analog dem oben (S. 59f.) behandelten Falle, wo es sich um
Einbringung der Bundesratsvorlagen in den Reichstag handelt —
zunächst zu prüfen, ob bis dahin die verfassungsmässigen Er-
fordernisse des Gesetzgebungsverfahrens bezüglich des ihm unter-
breiteten Entwurfes erfüllt sind, und je nach dem Ergebnis
dieser Prüfung hat er dem Entwurfe Ausfertigung und Ver-
kündigung entweder zu .verweigern oder zu erteilen, und zwar
auch dieses wieder ohne unnötige Verzögerung. Unrichtig ist es,
wenn v. RuvitLLE (Das deutsche Reich S. 213) daraus, dass eine
Frist, innerhalb deren die Verkündigung vorgenommen werden
88 Das hier für den Bundesrat beanspruchte Recht ist in der Litteratur
fast allgemein anerkannt. Anders nur GHIERKE bei Grünhut VI S. 230.
Archiy für Öffentliches Recht. XIV. 1. 5