der Entwickelung die gesetzgebenden Faktoren des Reichs die
Gebundenheit der kaiserlichen Teilnahme am Reichsgesetzgebungs-
verfahren so oft als ihrer Auffassung entsprechend anerkannt,
dass von der Begründung eines gegenteiligen Gewohnheitsrechts
ihrerseits schlechterdings die Rede nicht sein kann.
2. Wenn nach den bisherigen Erörterungen die Artt. 16
und 17 R.-V., in welchen der Kaiser als unmittelbarer und not-
wendiger Faktor des Reichsgesetzgebungsverfahrens erscheint,
ihm nicht das Recht auf materielle Teilnahme an demselben ge-
währen, so versteht es sich fast von selbst, dass da, wo er nur
unmittelbar oder in nicht ausschliesslicher Kompetenz zu dem
Gesetzgebungsverfahren in Beziehung tritt, seine Stimme auch
nicht materielle Bedeutung haben darf. Hierauf ist noch in
Kürze einzugehen.
Nach Art. 12 R.-V. steht es dem Kaiser zu, den Bundesrat
und den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu
schliessen. Diese anscheinend weiten Befugnisse des Kaisers sind
jedoch durch eine Reihe von Einzelbestimmungen der Verfassung
bedeutend eingeschränkt:
Die Berufung des Bundesrates sowohl als des Reichstages
hat alljährlich zum mindesten einmal zu geschehen. Der Bundesrat
insbesondere muss stets berufen werden, wenn der Reichstag be-
rufen wird; „zur Vorbereitung der Arbeiten“ kann der Bundes-
rat auch allein — ohne den Reichstag — einberufen werden
(Art. 13 R.-V.). Ausserdem hat die Berufung des Bundesrates
stets zu erfolgen, wenn sie von einem Drittel der Stimmenzahl
verlangt wird (Art. 14).
Die Eröffnung des Bundesrates und des Reichstages —
gleich der Berufung eine notwendige Bedingung für ein ver-
fassungsmässiges und staatsrechtlich erhebliches Tagen jeder dieser
Körperschaften — darf, wenn dies auch nicht ausdrücklich in der
Verfassung ausgesprochen ist, nicht über den Zeitpunkt hinaus
ungebührlich verzögert werden, bis zu welchem die Berufung nach