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Die herrschende, besonders von LABAND und ZORN, mit ge-
ringer ‚Modifikation auch von JELLINEK vertretene Lehre ist
eine andere. Nach ihr ist die Sanktion die Erteilung des Ge-
setzesbefehls, in welchem Akte die begrifflich notwendige Einheit
der staatlichen Gesetzgebung zum Ausdruck kommen soll, darum
allein der eigentliche Gesetzgebungsakt; der gesetzgeberische
Wille des Monarchen soll allein den staatlichen Gesetzgebungs-
willen darstellen, die Zustimmung der Volksvertretung nur eine
Bedingung für dessen Gültigkeit sein. Indes die mit vollem
Rechte geforderte Einheit des Staatswillens zwingt nicht zu dem
Schlusse, dass dieser Staatswille stets in einem einzigen Organe,
welchem man den Titel „Träger der Staatsgewalt“ verleiht, zum
Ausdruck kommen müsse. „Die Lehre, dass die notwendige
Einheit der Leitung und die Planmässigkeit des Zusammenwirkens
der Organe wenigstens im Staate oder doch in der Monarchie
ausschliesslich durch die rechtliche Konzentrierung aller Rechte
der Staatsgewalt in einem Hauptorgane bewirkt werden könne,
beruht auf einer politischen Doktrin, welche in einem unauflös-
lichen Widerspruch mit den positivrechtlichenV erfassungen steht“ ®*,
Ebensowenig kann zugegeben werden, dass die Erteilung des Ge-
setzesbefehls ein Charakteristikum des Sanktionsaktes sei. Nur
soviel ist richtig, dass mit der Sanktion der in dem Gesetz ent-
haltene Befehl erst perfekt wird. Jedem Befehle liegt ein Wille
zu Grunde, dem Gesetzesbefehle der Staatswille; der Staatswille
ist aber da, wo mehrere Organe zu seiner Bildung mitwirken,
nicht der Wille eines einzelnen dieser Organe, sondern deren
nach bestimmten Rechtssätzen zustandegekommener Gesamtwille,
an dem jedes Organ gleichen Anteil hat. Darum ist auch der
(Gresetzesbefehl nicht als der Willensakt des Monarchen allein in
der konstitutionellen Monarchie anzusehen, vielmehr haben Mon-
6% HarneL, Rstr. IS. 93. — Ebenso Meyer, Anteil S. 11 und die hier
N. 3 Zitierten; GIERKE bei Grünhut VI S. 230; Leons, Archiv I S. 507;
ScHULZE, Rstr. S. 30; Trrıeps, Das deutsche Reich S. 110 N. 2.