Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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erscheine, den eindringenden bezw. eingedrungenen Feind zu 
bekämpfen und den vaterländischen Boden zu befreien, und dass 
diese Thatsache auch in den Grundsätzen des Kriegsrechts 
Anerkennung finden müsse. Diese letztere Ansicht beruht jedoch 
auf einer durchaus unklaren Auffassung der massgebenden Ver- 
hältnisse. Gewiss wird es sich kein mannhaftes Volk nehmen 
lassen, unter Umständen mit allen Mitteln den eingedrungenen 
oder eindringenden Feind zu bekämpfen; sie muss aber dann 
auch die Folgen tragen, die Repressalien, die der eingedrungene 
Feind ergreift, auf sich nehmen u.s.w. Unmöglich ist es aber, 
einen solchen Volkskrieg oder Volksaufstand in einem Codex 
des Völkerrechts bezw. Kriegsrechts als einen rechtlich zulässigen 
und vom Völkerrechte anerkannten und geregelten Zustand zu 
erklären. Denn wenn bei einer Kodifikation des Kriegsrechts 
im Interesse der Milderung der Leiden des Kriegs festgesetzt 
wird, dass nur die organisirten Streitkräfte der kriegerischen 
Gewalt unterworfen sind, so muss auch der Umfang dieser Streit- 
kräfte und die Zugehörigkeit zu denselben genau bestimmt sein. 
Es geht nicht an, dass sich ohne Weiteres jeder friedliche 
Bürger durch Ergreifung der Waffen in einen Krieger ver- 
wandelt und den nichts ahnenden Soldaten überfällt und an- 
greift. . 
Indem Art. 10 der Brüsseler Deklaration aussprach, dass, 
wenn die Bevölkerung eines noch nicht besetzten Gebiets 
bei Annäherung des Feindes die Waffen ergreift, um den Feind 
abzuwehren, sie als kriegführende Partei betrachtet wird, auch 
wenn sie nicht Zeit gehabt hat, sich in der im Art. 9 vor- 
gesehenen Weise zu organisiren, vorausgesetzt nur, dass sie die 
Kriegsgesetze und Kriegsgebräuche befolgt, so ist mit einer 
solchen Bestimmung wohl die äusserste zulässige Grenze erreicht. 
Trotzdem versuchte man namentlich von Seite der schweizerischen 
Delegirten noch mehr zu erreichen, nämlich die Anerkennung, 
dass jeder bewaffnete Widerstand gegen den eindringenden Feind
	        
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