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Man hätte nun meinen sollen, dass gerade die kleineren,
leichter einer Invasion ausgesetzten Staaten die in diesen Be-
stimmungen enthaltenen Beschränkungen der thatsächlichen Ge-
walt der feindlichen Militärmacht freudig begrüsst hätten. Statt
dessen beantragte der erste belgische Delegirte, die haupt-
sächlichsten dieser Artikel zu streichen, da es nicht angehe, dass
die Staaten, deren Gebiet möglicher Weise einer Besetzung aus-
gesetzt sei, in einer internationalen Konvention dem Sieger
(envahisseur) von vorneherein gewisse Rechte in ihrem Gebiete
einräumen. Es sei besser, die ganze Materie gar nicht zu regeln
und für solche Fälle lediglich das Völkerrecht, so unbestimmt es
auch sei, zur Anwendung kommen zu lassen.
Diese Begründung ist offenbar ganz verfehlt; sie zeigt nur,
dass in solchen wenig bedeutenden neutralen Staaten, wie Belgien,
das Verständniss für die Bedürfnisse der Kriegführung und die
Bedeutung des Kriegsrechts nicht im erforderlichen Grade vor-
handen ist, denn bei den fraglichen Bestimmungen handelte es
sich nicht um Einräumung von Rechten an den siegreichen
Staat, sondern um eine Beschränkung seiner thatsächlichen Ge-
walt.
Trotzdem hatten die belgischen Delegirten, unterstützt von
den schweizerischen und schwedischen Delegirten, insofern Erfolg,
als die von der Aufrechthaltung der geltenden Gesetze und
von der Beibehaltung der Beamten in dem besetzten Gebiete
handelnden Art. 3 und 4 des Entwurfs der Brüsseler Deklaration
gestrichen wurden, obwohl deren Aufrechthaltung gerade im
Interesse des besetzten Gebiets sich entschieden empfohlen hätte!°,
15 Man braucht in dieser Beziehung nur darauf hinzuweisen, dass es
nicht im Interesse der Bevölkerung lag, dass die französischen Behörden ihre
Thätigkeit einstellten, als die deutschen Truppen im Sommer und Herbst
1870 Elsass und Lothringen besetzten; namentlich war die Einstellung der
Thätigkeit der Gerichte und Polizeibehörden im Interesse der öffentlichen
Sicherheit und der Aufrechthaltung des Rechtsschutzes sehr zu bedauern.
Bei der grossen Empfindlichkeit der französischen Delegirten gegen jede