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die einen Schiedsvertrag abgeschlossen haben, den Schiedsspruch
freiwillig vollziehen, zumal es sich bei solchen Schiedsverträgen
in der Regel um minderwichtige Fälle handelt. Es ist aber
auch das Gegentheil möglich, namentlich wenn der Schiedsspruch
durch ein ständiges Schiedsgericht gefällt wird, auf welches viel-
leicht die eine oder andere Partei nicht das gleiche Vertrauen
hat, wie auf für den besonderen Fall bestellte Schiedsrichter.
In einem solchen Falle ist, selbst wenn die Streittheile nicht
sofort zur gewaltsamen Selbsthilfe greifen, die Sache durch den
Schiedsspruch nicht besser, sondern schlechter gemacht. Ob
der Unterliegende, der sich weigert, den Schiedsspruch zu voll-
ziehen, dies thut, weil er denselben für formell oder materiell
rechtswidrig hält, oder ob er andere Gründe für sein Verhalten
hat, ist dabei gleichgiltig.
Ausserdem kommt noch ein weiterer von den Verfechtern
der Schiedsgerichtsidee nicht immer genügend gewürdigter
Gesichtspunkt in Betracht, dass nämlich ein Richterspruch, also
auch ein Schiedsspruch, grundsätzlich nur über streitige Rechts-
verhältnisse, nicht aber über Interessengegensätze ergehen
kann. Allerdings entscheiden die staatlichen Behörden nicht
selten auch über Interessenkollisionen, indem in solchen Fällen
der Staat als die den Streitenden übergeordnete Macht be-
stimmt, dass das eine Interesse dem anderen zu weichen hat,
2. B. das Einzelinteresse dem Gesammtinteresse. Bei Streitig-
keiten unter Staaten ist aber eine derartige Entscheidung über
Interessengegensätze durch Richterspruch ausgeschlossen. Es
ist möglich, dass der zum Schiedsrichter bestellte Souverän oder
ein aus Rechtsgelehrten bestehendes Schiedsgericht ausspricht,
dass in einem Streitfalle der eine Theil das Recht auf seiner
Seite hat, aber kein Staatsoberhaupt, kein Gelehrter und kein
Staatsmann wird in der Lage sein, auszusprechen, dass der
Staat A dem Staat B seine Interessen zum Opfer bringen
muss,