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Art.75: „Die Kammern werden nach Ablauf ihrer Legis-
laturperiode neu gewählt. Ein Gleiches geschieht im Falle
der Auflösung. In beiden Fällen sind die bisherigen Mitglieder
wieder wählbar.“
Art. 77 Abs. 3: „Wird eine Kammer aufgelöst, so wird
die andere gleichzeitig vertagt.“.
Das jetzige Herrenhaus aber hat nicht den Charakter einer
Wahlkammer, seine Mitglieder sind entweder auf Grund erb-
licher Berechtigung oder auf Lebenszeit zur Mitgliedschaft
berufen; es kann daher zur Zeit weder von einer Auflösung
noch von einer Neuwahl des Herrenhauses mehr die Rede sein,
so dass die angezogenen Verfassungssätze auf das Herrenhaus
zur Zeit praktisch nicht anwendbar sind.
Hinsichtlich des Art. 51 ist nun behauptet worden!?, er
sei bezüglich des Herrenhauses nicht etwa völlig aufgehoben
worden, sondern in seiner Geltung nur solange suspendirt, bis
ein die Verordnung wegen Bildung der I. Kammer vom 12. Okt.
1854 abänderndes Gesetz dem Herrenhaus den Charakter einer
Wahlkammer einmal wiederverschaffe; Gleiches müsste, wenn es
richtig wäre, für Art. 75 und Art. 77 Abs. 3 gelten. Allein
diese Auffassung ist irrig; von einer Suspension der genannten
Artikel kann nicht die Rede sein, vielmehr sind sie völlig auf-
gehoben. Die gegentheilige Ansicht wäre nur zu rechtfertigen,
wenn der Charakter als einer Wahlkammer dem Herrenhause
durch die Verordnung vom 12. Okt. 1854 genommen wäre; das
ist aber nicht der FaH. Vielmehr ist dem Herrenhaus der Cha-
rakter als Wahlkammer durch das Gesetz vom 7. Mai 1853 ge-
nommen, welches in Art. 1 ausdrücklich vorschreibt:
„Die I. Kammer wird durch kgl. Anordnung gebildet,
welche nur durch ein mit Zustimmung der Kammern zu er-
lassendes Gesetz abgeändert werden kann.
18 In der von ZoRN besorgten 5. Aufl. von Rönne's Staatsr. d. preuss.
Monarchie, Leipzig 1899, Bd. I S. 354 Anm. 2.