Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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verhältnisse zahlloser deutscher Familien im’ Inland, wie im Aus- 
land, und zwingt endlich Tausende und Tausende, zugegeben tın- 
befugt Ausgewanderter, zur Abstreifung der deutschen 
Staatsangehörigkeit, nicht nur für sich, sondern auch 
für Frau und Kinder. Wer die von Tag zu Tag wachsenden 
Hilfseinrichtungen des internationalen Verkehrs kennt, der wird 
wissen, dass die Versagung des Aufgebots in der Heimaths- 
gemeinde fast überall ein dispensirbares Requisit der Ehe- 
schliessung ist. Seine Versagung hindert die zumeist den mittel- 
losen, unteren Klassen angehörigen Personen niemals, im Aus- 
lande die beabsichtigte Ehe abzuschliessen. Ob diese daher dem 
formalen Bedürfniss eines Aufgebots in der Heimath Rechnung 
tragen können oder nicht, wird auf ihre Entschliessungen einen 
verzweifelt geringen Einfluss ausüben. Wohl aber muss die Ver- 
sagung des Aufgebotes in ihren Nachwirkungen Unsicherheit in 
die Bevölkerungsverhältnisse, Lückenhaftigkeit in die Standes- 
register tragen und daher Verschlechterung unseres inneren 
Rechtszustandes zur Folge haben. 
Das Aufgebot ist eben keine Rechtswohlthat, kein 
Vortheil, sondern eine objektive Sicherungsmassregel, 
ergriffen im Interesse der staatlichen Verwaltung selbst. 
Die oben angeführte Massregel ist somit ohne praktischen 
Werth; sie trägt aber zugleich einen Charakter an sich, der sie 
als Mittelding zwischen Strafe und Rancune erscheinen lässt. 
Der Staat soll strafen und muss strafen, er kann aber nicht 
chikaniren ohne eine Einbusse seines Ansehens zu erleiden, 
Zwischen dem Zeitpunkte der thatsächlichen Flucht aus Deutsch- 
land zum Zwecke der Entziehung aus der Wehrpflicht und der 
Eheschliessung liegt regelmässig ein so breiter Zeitraum, dass 
die Befürchtung: bei einer etwaigen künftigen Eheschliessung 
formal-technischen Schwierigkeiten zu begegnen, — jedenfalls 
nicht den geringsten impulsiven Einfluss auf den zur Flucht Ent- 
schlossenen auszuüben vermag. Später, nachdem das Delikt be- 
Archiv für Öffentliches Recht. XV. 2. 18
	        
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