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Abteilung des Stmtzıns’schen Werkes reichte bis 1700, schloss aber auch
für diese Zeit die naturrechtlichen Autoren gänzlich aus. Dieser Umstand
gereichte der Arbeit LaupsBEere’s zum Vorteil, indem sie infolgedessen eine
gewisse geistige Einheit zum Gegenstand hat, während das Stintzına’sche
System auf ziemlich äusserlichen und willkürlichen Momenten beruhte.
Freilich giebt es kaum etwas Schwierigeres, als ein richtiges System für
die Geschichte einer Wissenschaft zu finden. Naturgemäss stehen sich da
zwei Centren der Darstellung fortwährend hemmend im Wege, einerseits die
Ideen, andererseits die Individuen. Verfolgt man die Ideen oder Dogmen,
so erzielt man zwar eine Darstellung des inneren Zusammenhanges der
Lehren, aber die Arbeit läuft dann, wie mehfache Erfahrungen beweisen,
Gefahr, trocken zu werden; sie wird leicht so trocken, dass sie ihre Les-
und Benutzbarkeit einbüssen kann. Auch wird dann jede Charakterisirung
der bedeutenden Individualitäten, auf die kein Historiker verzichten kann,
jede zusammenhängende Würdigung ihres Charakters und ihres Wirkens
unmöglich. Schildert man dagegen diese, wählt man also die sog. bio-
graphische Methode, so zerreisst der innere Zusammenhang der geistigen
Entwickelung nahezu vollständig. Srtmrzıxe hatte trotzdem die reine bio-
graphische Methode angewendet, so dass das Schwergewicht seiner Dar-
stellung auf der Lebensbeschreibung der Autoren und auf Referaten über
ihre Werke beruht. Infolgedessen liesst sich Stmrzine’s Werk fast wie
ein Auszug aus der allgemeinen deutschen Biographie. Auch LANnDsBERG
hat nun dieses biographische System beibehalten. Allein er hat wenigstens
bezüglich der biographischen Details Wandel geschaffen. Zum Teil nämlich
hat er sie in einen umfangreichen Notenband verwiesen, zum Teil hat er
sie überhaupt reduziert. Denn solche Dinge, wie sie STINTZING mit grossem
Ernst mitteilte, wann und wen die besprochenen Autoren heirateten, wie
viel Kinder sie hatten, wie viele derselben sie überlebten u. dgl. m.
finden wir bei LannpsBere nicht mehr. Ich möchte LannsBEere deshalb
nicht eben tadeln. Aber immerhin scheint mir auch LanpssEre die metho-
dischen Schwierigkeiten nicht ganz überwunden zu haben, wenn ihm dies
auch gewiss in weit höherem Masse gelungen ist, als Stintzıng. Letzterer,
eine sympathische Gestalt und gewiss ein höchst achtungswerter Mann,
dessen Talent aber meines Erachtens nicht ganz auf der Höhe seiner un-
gewöhnlichen Gelehrsamkeit und seines Fleisses stand, hatte sich eine
Periodisierung zurechtgelegt, die man kaum als glücklich bezeichnen
kann. Er teilte nämlich den ganzen Stoff nach ziemlich willkürlich ge-
wählten .Jahreszahlen ein: 16560 und 1700. Hiedurch gewann er zwei
formelle Perioden, denen er die verschiedenen Autoren ohne jede Rücksicht
auf ihre Tendenzen und Gedanken nach ihrem Todesjahre zuwies. Er
machte hiervon nur die eine, allerdings wichtige und, wie gesagt, LANDSBERG
zu gute kommende Ausnahme, dass er die Autoren, welche dem Naturrecht
neuerer Ausprägung huldigten, einer besonderen späteren Abteilung vorbehielt.