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Dafürhalten hie und da etwas zu objektiv, denn sie nähert sich oft einer
gewissen Farblosigkeit und Kälte, die bei der Eintönigkeit vieler Partien
des Werkes das. Vergnügen an der Lektüre vermindert. Höchstens etwa bei
Tuomasıus und dem alten Moser wird der Verf. etwas wärmer.
Wenn man trotz der Vorzüge des Werkes keinen vollkommen be-
friedigenden Eindruck erhält oder, richtiger gesagt, in demselben nicht ganz
das findet, was man in einer „Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft*
zu suchen berechtigt wäre, so rührt dies, wie ich glaube, von folgenden
Uebelständen her. Zunächst hat, wie schon erwähnt, die biographische Me-
thode die Darstellung der dogmatischen Entwickelung verhindert. Es wäre,
glaube ich, nicht unbescheiden, wenn man in einem solchen Werk eine Ueber-
sicht über die Geschichte mindestens der wichtigsten Rechtsgedanken
zu finden hoffte. Ich gebe zu, dass derlei eine ziemlich radikale systema-
tische Umwälzung erfordert hätte und dass es vielleicht unmöglich gewesen
wäre, dann eine Fortsetzung im Geiste Stitzıne’s zu liefern. Aber ich
muss gestehen, dass gerade solche dogmengeschichtlichen Ueberblicke in
einer „Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft“ nicht nur nicht
fehlen dürfen, sondern geradezu das interessanteste Material einer solchen
zu bilden hätten und — nach meinem unmassgeblichen Dafürhalten —
weit wichtiger wären, als die Referate über zahllose mittelmässige Autoren,
deren Namen und Werke längst der wohlverdienten Vergessenheit anheim-
gefallen sind — oder wenn man zuvorkommend sein will — anheimgefallen
wären, wenn sie nicht des Verf. unsäglicher Fleiss hätte wiederauferstehen
lassen. Der Verf. scheint aber derartige Wünsche so wenig für berechtigt
zu halten, dass er seinem Werke nicht einmal einen Sach-Index beigefügt
hat, sondern nur ein Namensregister. Genau genommen giebt denn auch
LANDSBERG keine Geschichte der „deutschen Rechtswissenschaft“, wie das
Werk betitelt ist, sondern eine solche der einzelnen Juristen. Das steht nun
im Zusammenhang damit, dass der Verf. sein Programm, welches ihn auf eine
Darstellung der deutschen Rechtswissenschaft anwies, etwas allzu enge auf-
gefasst hat. Man kann vielleicht in gewissen Beziehungen von einer natio-
nalen Wissenschaft handeln, aber die Nationalität derselben darnach zu be-
messen, ob die Vertreter eines Gedankens dieser oder jener Nation angehören,
das hat keine Berechtigung und muss zu schiefen Darstellungen führen. Nicht
darauf kommt es an, ob jemand einen Gedanken gelehrt hat, sondern in
welchem Mass er sich an der Bildung und Entwickelung desselben beteiligte.
Es heisst doch nicht die Geschichte einer nationalen Wissenschaft schreiben,
wenn man die Autoren vorführt, die fremde Gedanken bloss nachgesprochen
oder ausgedeutet haben. Es muss häufig ein irreführendes Bild geben, wenn
man in einem Werke, wie das vorliegende, Vertreter einer Gedankenreihe
aufmarschieren lässt, ohne zugleich auseinanderzusetzen, inwieweit dieselben
selbständig gewesen sind oder aber fremde Ideen nur aufgenommen haben.
Wenn man bedenkt, in wie weitem Masse BLuntscaLi, der doch auch nur