— 302 —
F. von Martitz, ord. Professor des öffentlichen Rechts an der Universität
Tübingen, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Bei-
träge zur Theorie des positiven Völkerrechts der Gegenwart. Zweite
Abteilung. Leipzig, H. Haessel, 1897. XVIu. 896 S. Gr. 8%. M. 80.—.
„Eulen nach Athen tragen“, hiesse es, wollte man über ein Werk wie
dieses, in welchem der Fleiss und die Gelehrsamkeit eines der bedeutendsten
deutschen Universitätsprofessoren sich zeigt, viele Lobesworte sagen. Nur
das eine mag betont werden, dass höchst selten ein derartig wahrhafter
Genuss, sich mit einem so geistreichen Werke beschäftigen zu können, ge-
boten wird, zumal der Leser in diesem Werke auf jeder Seite die Lust und
die Liebe, welche den Verf. bei seiner Arbeit beseelte, mitempfindet. Daher
kann denn auch der Ref. es sich nicht versagen, auf einzelne Materien des
äusserst interessanten Inhaltes des vorliegenden zweiten Bandes, welchen
der Verf. kürzlich seinem bereits im Herbst 1888 veröffentlichten Vorgänger
hat folgen lassen, etwas näher einzugehen. Dem Verf. war es weniger darum
zu thun, eine Theorie des Auslieferungsrechts und der verwandten mit diesem
Rechtszweig unter der Bezeichnung der internationalen Rechtshilfe sich
zusammenfassenden Materien aus allgemeinen Begriffen oder Prinzipien zu
deduzieren, vielmehr hat er sein Augenmerk hauptsächlich darauf gerichtet,
die Haltung festzustellen, welche die Mitglieder des völkerrechtlichen Ver-
bandes, zumal die in diesem Bereiche des Verkehrsrechts als führend zu
betrachtenden Mächte, thatsächlich einnehmen. Der Verf. behandelt völker-
rechtliche Prinzipien nicht wie sie in den Bücher enthalten sind, sondern
wie sie in der Auffassung der Einzelstaaten leben. Er hat, nachdem er in
der ersten Abteilung seines Werkes die allgemeinen völkerrechtlichen Grund-
lagen, auf denen heute die Rechtshilfe in Strafsachen beruht, dargelegt hatte,
in dem vorliegenden zweiten Bande es sich zur Aufgabe gemacht, das System
derselben im einzelnen zu entwerfen. Um der Darstellung einen festen Halt
und sicheren Boden zu geben, glaubte er dasjenige Landesrecht ermitteln
zu müssen, das für die Gestaltung dieser Seite internationaler Verkehrs-
gemeinschaft von typischer Bedeutung ist. Als solches erscheint das Recht
des belgischen Königreiches. Seine bis in das Detail der staatsrechtlichen,
strafrechtlichen, verwaltungsrechtlichen Ausgangspunkte zu verfolgende Ent-
wickelung bildet für den Verf. die Grundlage seiner Ausführungen. Durch
die Bezugnahme auf die in sechzigjähriger sorgfältigster Pflege gewonnenen.
Positionen dieses Staates wird für die Rechtsordnungen der anderen Staaten
eine grössere Anschaulichkeit, Verständlichkeit, Uebersichtlichkeit erreicht.
Unter letzteren nimmt das französische Recht noch immer die erste Stelle
ein. Mittelpunkt der Darstellung ist für den Verf. das Sonderrecht der
politischen Delikte und des politischen Asylschutzes.
Der Verf. behandelt demgemäss zunächst eingehend die Entstehung,
Prinzipien und historische Bedeutung des belgischen Auslieferungsgesetzes
von 1833, sowie die auf Grund desselben geschlossenen Staatsverträge, von