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denen er die belgisch-französische Konvention von 1834 als den Urtypus der
modernen Auslieferungsverträge hinstellt. Das belgische Auslieferungsrecht
ist Fremdenrecht und die Auslieferung Rechtshilfe, die einer ausländischen
Regierung geleistet wird und welche die Anerkennung ihrer Strafkompetenz
voraussetzt. Für Auslandsdelikte hat Belgien ursprünglich die Rechtshilfe
versagt, und selbst hinsichtlich der von Angehörigen dritter Staaten verübten
Inlandsdelikte machen die Verträge Vorbehalte. Die Zahl der vom Gesetz
als auslieferungsmässig bezeichneten Thatbestände war ursprünglich eine sehr
beschränkte, indem es sieben Nummern aufzählt und politische Delikte aus-
geschlossen wissen will. Dem Verf. erscheint es unzweifelhaft, dass die
gesetzgeberische Intention auf Spezialität der Auslieferungen gerichtet sei,
trotz der Unsicherheit der Vertragspraxis. Daher ist zur Bestrafung des
Ausgelieferten wegen eines Nichtauslieferungsdeliktes, welches jedoch aus-
lieferungsinässig sein muss, die nachträgliche Zustimmung des Zufluchtsstaates
erforderlich. Ein Thatbestand ist nur insoweit auslieferungsmässig, als der
vom Vertrage in Bezug genommene Verbrechensbegriff durch die beiderseitige
Strafgesetzgebung der vertragenden Teile erfasst wird. Für seine Abgrenzung
kann demnach nicht lediglich das Gesetz des ersuchenden Landes mass-
gebend sein. Bezüglich des Auslieferungsverfahrens hält Belgien, abgesehen
von einigen neuerdings gemachten Konzessionen, an der Regel des diploma-
tischen Weges mit Strenge fest. Die politische Seite des Auslieferungs-
verkehrs fordert eine Prüfung der einkommenden Rechtshilfegesuche. Der
Kern des belgischen Systems ist die Prozedur, in der diese Prüfung erfolgt.
Ursprünglich hat das belgische Gesetz an der Forderung festgehalten, dass
ein abgeschlossenes gerichliches Verfahren bescheinigt sein müsse; auf blossen
Haftbefehl erfolgten keine Auslieferungen. Die richterliche Prüfung des
Auslieferungsgesuches läuft in Belgien in ein blosses Gutachten aus, welches
auf Grund eines kontradiktorischen Verfahrens, in welchem der Verfolgte als
Partei behundelt wird, ergeht. Nach Ansicht des Verf. gehört die Zukunft
einem Verfahren an, das den Auslieferungen den Charakter von Verwaltungs-
streitigkeitssachen beilegt. Die definitive Auslieferungshaft ist auch in Belgien
an sich nicht gerichtliche Haft. Den Begriff der provisorischen Auslieferungs-
haft, welche ein unentbehrliches Stück des modernen Rechtshilfeverkehrs
ist, hat das belgische Recht geschaffen. Das Verfahren bei dieser Haft,
welche zeitlich begrenzt ist, ist an besondere Voraussetzungen geknüpft,
nämlich den diplomatischen Antrag, einen richterlichen Beschluss und im
früheren Recht die Produktion eines Haftbefehls.
Sodann ergeht sich Verf. in einen Rückblick auf die Frage der politi-
schen Delikte. Der politische Delikte betreffende Art. 1 des belgischen Ge-
setzes ist durch typische Uebernahme in die europäischen und amerikanischen
Konventionen zu allgemeiner völkerrechtlicher Geltung gelangt; das ältere
Völkerrecht hat von einer Immunität der politischen Delikte nichts gewusst,
Wort und Sache haben sich überhaupt erst im Zeitalter der französischen