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halten, damit nicht die gesetzgebende Gewalt wegen unverhältniss-
mässig unbedeutender Gegenstände in Anspruch genommen
werde. Dieser Gesichtspunkt kann nur festgehalten werden,
wenn wir dahin gelangen, dass durch Gesetze möglichst die
leitenden Grundsätze nur im Grossen und Ganzen festgestellt,
durch Ausführungs-Verordnungen aber die weiteren Details für
die Anwendung angeordnet werden.
Es muss verhütet werden, dass auch die Verwaltung nicht
in die Nothwendigkeit versetzt werde, in jedem Augenblick
wegen einer Menge vereinzelter Bestimmungen, verhältniss-
mässig von geringfügiger Bedeutung, die gesetzgebende Gewalt,
also auch die Mitwirkung der Kammern, in Anspruch zu
nehmen.“
Auch aus diesen Worten ergiebt sich wenigstens das mit
Gewissheit, dass „Gesetz“ und „gesetzgebende Gewalt“ als formelle
Begriffe aufgefasst werden, aus dem zweiten Satze ferner, dass nach
dem Wunsche des Redners die Verwaltung die verhältnissmässig
minder wichtigen Dinge allein (durch Rechtsnormen) regeln sollte,
Für die Frage, ob im Jahre 1850 die massgebenden Faktoren,
nämlich Krone und Landtag, Gesetz im formellen oder materiellen
Sinne auffassten, sind die Verhandlungen, die zu gleicher Zeit
über das Polizeiverwaltungsgesetz vom 11. März 1850 geführt
wurden, von besonderem Interesse. Diese zeigen Zweierlei: 1. dass
Gesetz ein formeller Begriff war, wie im belgisch-französischen
Recht und im Rechte des absoluten Staates Preussen; nicht jede
Rechtsnorm, sondern unbedingt verbindliche Anordnung der höch-
sten Staatsgewalt, und 2. dass Polizeiverordnungen nur Straf-
folgen aussprechen dürfen, wenn sie gemäss, in Kraft, auf Grund
(„en vertu®) eines formellen Gesetzes ergehen”®. Art. 8 der
28 AnscHürtz bemerkt dagegen S. 33: „Auch in dem Art. 8 ist Gesetz
in dem materiellen Sinne zu verstehen; es giebt viele Strafrechtsnormen,
welche die Form des Gesetzes nicht ausweisen, wie denn z. B. das ehemals
Gemeine deutsche Strafrecht im Wesentlichen ein Gewohnheitsrecht war,“