Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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worfen ist. Was heisst das? Wenn der Richter eine Noth- 
verordnung anwendet, so ist er dem Art. 63 der Verfassung, 
wenn eine Ausführungsverordnung, dem Art. 45 der Verfassung 
unterworfen. Wendet er eine ortspolizeiliche Verordnung an, 
so ist er nicht der Ortspolizeibehörde, sondern dem Gesetze über 
die Polizeiverwaltung unterworfen. Da er in seiner richterlichen 
Thätigkeit nicht der Autorität der Krone, noch der einer Po- 
lizeibehörde unterworfen ist, so hätte er — abgesehen von der 
erst zum Schlusse des Revisionswerks angenommenen Vorschrift 
in Art. 106 — eine königliche Verordnung, die nicht gesetz- 
oder verfassungsmässig begründet wäre, ebenso wenig wie eine orts- 
polizeiliche Verordnung, die nicht auf Grund eines Gesetzes er- 
gangen ist, anzuwenden. Auch in Belgien hat der Richter 
königliche Verordnungen und in Frankreich Verordnungen des 
Präsidenten u. s. w. anzuwenden, aber nur, wenn und soweit sie 
den Gesetzen gemäss sind, da er der Autorität des Gesetzes 
und nicht der Autorität der Verordnung oder des Königs unter- 
worfen. Das gilt auch in Preussen; nur soll nicht er selbst, 
sondern der Landtag — nach der Proposition XIII, nämlich 
der ex post in die Verfassung aufgenommenen Vorschrift des 
Art. 106 — darüber wachen?”. Art. 86 bedeutet somit, der 
Richter ist nur der Autorität des formellen Gesetzes unterworfen; 
er soll zwar alles geltende Recht anwenden, mag es auch nur 
auf Verordnungen oder auf Gewohnheit beruhen, aber unterworfen 
ist er nur der Autorität des formellen Gesetzes. Während der 
Minister dem Präfekten, der Präfekt dem Maire befehlen kann, 
wende so oder anders ein Gesetz an, erlasse dieses oder jenes 
Reglement, und diese der höheren Autorität unterworfen sind, 
kann Niemand ausser dem Gesetz dem Richter befehlen, lege 
das Gesetz so oder anders aus, erlasse dieses oder jenes 
# Darüber war man sich allseitig klar, vgl. Kısker am 29. Jan. 1850 
in den Sten. Ber. der I. Kammer $. 2375 und besonders BRoIcHkrR am 
26. Jan. 1850, Sten. Ber. der II. Kammer $S. 2119.
	        
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