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durch einfache königliche Verordnungen, durch Nothver-
ordnungen auf Grund des Art. 105, d. h. durch provisorische
Gesetze geändert wurden. Dies gilt aber auch von der Ver-
ordnung vom 9. Febr. 1849, betreffend die Errichtung von Ge-
werberäthen u. s. w.; denn diese Verordnung war dazu bestimmt
und konnte wenigstens nicht anders Leben und Wirklichkeit ge-
winnen, als dass die Richter Handwerker, die ohne Befähigungs-
nachweis ein Gewerbe betrieben, bestraften, abgesehen schon
davon, dass die Nothverordnung, das provisorische Gesetz, schon
durch den Art. 3 der Verfassung geboten war. Mit den Fak-
ten, die Anscaütz bringt, ist es also kaum etwas; sie erklären
sich ganz anders. Aber selbst wenn die Krone, ohne Verpflich-
tung dazu, aus Opportunitätsgründen die Form des provisorischen
Gesetzes statt derjenigen der einfachen Verordnung gewählt hätte,
so würde dies immer noch kein Beweis sein. Unstreitig hat der
Kaiser das Organisationsrecht in Bezug auf die Kriegsmarine. Um
aber einerseits Wünschen des Reichstages entgegen zu kommen
und andererseits diesen zum Zwecke der Geldbewilligung zu
„binden“, also aus der vorliegenden Frage fernstehenden Gründen,
lässt er sich 1898 und 1900 Gesetze über die Organisation (eines
Theiles) der Flotte gefallen. Könnte nun nach 50 Jahren nicht
auch ein zweiter ANnSCHÜTZ erstehen und daraus folgern, dass
diese Gesetze klar und deutlich zeigen, wie die Krone ein Organi-
sationsrecht in Ansehung der Kriegsmarine nie besessen habe?
Wo eine Verordnung genügt, kann stets ein Gesetz kommen.
"Aber AnscLörz meint, zu Art. 4: Alle Preussen seien vor dem
Gesetze gleich, hätte ich ja selbst zugestanden, dass hier das
Wort „Gesetze“ nicht auf formelle Gesetze beschränkt sei. Die
Sache ist diese: Art. 4 ist aus dem französisch-belgischen Recht
übersetzt: „Tous les Francais (Belges) sont &gaux devant la loi“
oder „Les hommes sont tous &gaux devant la loi*. So wenig aber
aus diesen Wendungen gefolgert wird, dass „loi® ein materieller
Begriff ist, eben so wenig aber kann die materielle Natur des Ge-