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In die Gesetzessammlungen brachte man nur die leitenden Grund-
sätze; die unübersehbare Fülle anderer Rechtsnormen, welche auch
in den Rechtsstand eingriffen, z. B. darüber, wie Salz zu denaturiren
ist, wenn es steuerfrei bleiben soll, wie das Brutto und Netto-
gewicht zu berechnen, in welche Gruppe dieser oder jener Gegen-
stand für die Verzollung zu bringen ist (amtliches Waarenverzeich-
niss), wann und wie Transitverkehr zollfrei bleibt u. s. w., über
Zoll- und Steuerabfertigung, Aus- und Einfuhrverbote verkündete
man in den Verwaltungsblättern. Entscheidend dafür, ob eine
Vorschrift legislativen oder administrativen Charakter hatte und
demgemäss im konstitutionellen Staate nur durch Gesetz abge-
ändert werden konnte, war nicht, ob sie eine Rechtsnorm enthielt,
sondern ob sie im Gesetzblatt oder anderswo publizirt war®®,
3. Art. 67 der norddeutschen Bundesverfassung lautet: „Das
Postwesen und das Telegraphenwesen werden als einheitliche Staats-
verkehrsanstalten eingerichtet. Die im Art. 4 vorgesehene Gesetz-
gebung des Bundes in Post- und Telegraphen- Angelegenheiten
erstreckt sich nicht auf diejenigen Gegenstände, deren Regelung
nach den gegenwärtig in der preussischen Post- und Telegraphen-
verwaltung massgebenden Grundsätzen der reglementarischen Fest-
setzung oder administrativen Anordnung überlassen ist.“ Man
erkannte somit an, dass in Preussen auf dem Gebiete des Post-
und Telegraphenwesens Vieles, was Rechtsnorm war, z. B. die
Telegraphengebühren, Porto für Drucksachen u. s. w., nicht als
formelles Gesetz geregelt war, dass es also dort Rechtsnormen
gab, die im Verordnungswege und zwar als selbständige Verord-
nungen aufgestellt waren.
4. Ebenso war man sich bei Berathung der Art. 53 u. 61
der Reichs-(Bundes-)Verfassung auf Seiten der verbündeten Re-
gierungen wie des Reichstages wohl bewusst, dass Rechtsnormen
von ausserordentlichster Wichtigkeit in Preussen nicht in Gesetzes-
# Vgl. Detsrück, Art. 40 der Reichsverfassung 9. 4ff.