Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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6. Wenn Anschürz S. 93 anführt, dass diejenigen Delega- 
tionen zum Erlasse von Rechtsnormen, welche in vorkonstitu- 
tionellen Gesetzen erfolgt sind, noch fortbestehen*?, so ist die 
Frage gerechtfertigt, welche Gesetze des absoluten Staates, 
z. B. die Schulregulative, die Telegraphen- und Eisenbahnbetriebs- 
reglements, die Statuten der Universität Halle, die Vorschriften 
über die militärischen Ehrengerichte, über Tage- und Marsch- 
gelder der Soldaten denn Ausführungsverordnungen sind oder 
in welchen Gesetzen des absoluten Staates die Befugniss zu ihrem 
Erlasse gegeben ist? Wenn ein Faktum noch kein Beweis ist, 
so ist doch eine blosse Behauptung erst recht kein Beweis. 
Uebrigens will ich meinerseits zugestehen, dass der Kreis der 
selbständigen Verordnungen immer kleiner wird. Namentlich 
wirkt das Ausgabenbewilligungsrecht des Landtags dahin, dass 
immer mehr Gegenstände, deren Regelung in Preussen bisher der 
Exekutive unterlag, in Gesetzen geordnet werden, z. B. die 
Organisation des Heeres (Kadreformation) und eines grossen 
Theils der Flotte, das militärische Pensions- und Reliktenwesen. 
Zum Schlusse muss ich ZOoRN darin beistimmen, dass das, was 
man theoretisch als Verwaltungsverordnung zu bezeichnen pflegt, 
meist auch Rechtsnormen aufstellt. Ueber den Begriff von Rechts- 
normen werden selbst die gelehrtesten Professoren und Richter 
streiten. Schon aus diesem Grunde haben die Verfassungen nicht 
Holland losriss, übte der König von Holland auf dem gesetzfreien Gebiet 
das selbständige Verordnungsrecht aus, welches nicht durch den dem Art. 62 
der preuss. entsprechenden Art. 26, sondern durch Art. 78 der const. belge 
ausgeschlossen werden sollte und ausgeschlossen worden ist. Wenn dies den 
preussischen Kammern 1848—1850 wohl bekannt war und sie eine dem 
Art. 78 der const. belge entsprechende Vorschrift trotzdem nicht aufnahmen, 
so war es eben ihr Wille, ein solches Verordnungsblatt nicht auszuschliessen. 
43 Dass dies an sich der Fall, ist bereits von mir in meinem Kommentar 
zu Art. 112 der preuss. Verf., in diesem Archiv 1886 $. 512 und in Hirth’s 
Annalen 1886 S. 316 behauptet, bewiesen und belegt. Auch dies verschweigt 
Anschürz. Soll dies etwa die bessere wissenschaftliche Methode sein?
	        
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