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Seite bewegten. Der Vorschlag der Regierung lautete damals
schon ebenso, wie das Gesetz jetzt laute. Von den Abgeord-
neten VON PUTTKAMER und STRUCKMANN’? wurde jedoch in der da-
maligen Reichstagskommission bezweifelt, dass die Frist von einer
Woche in einem auf dem Prinzip der Mündlichkeit beruhenden
Verfahren genüge, um zur Urtheilsfällung zu gelangen; eine der-
artige Vorschrift werde entweder bei Seite gesetzt, oder sie werde
Veranlassung, eine Sache abzubrechen und zur weiteren Verhand-
lung zu vertagen, um inzwischen die zum Urtheil nöthigen Mate-
rialien zu sichten. Es wurde auch die Besorgniss ausgesprochen,
dass die Gerichte, wenn ihnen zur Urtheilsfällung nur ein ein-
wöchentlicher Zeitraum zur Verfügung stehe, zum geheimen
Referat ihre Zuflucht nehmen könnten. Auf Grund solcher Er-
wägungen wurde damals beantragt, entweder jede Frist für die
Urtheilsverkündung aus dem Gesetz zu streichen, oder einen
besonderen Zusatz „in der Regel“ oder „soweit nicht besondere
Gründe entgegenstehen“ der Vorschrift über die Urtheilsverkün-
dung hinzuzufügen. Auch diese Anträge wurden abgelehnt.
So unwesentlich für die Entwicklung des einzelnen Civil-
prozesses an sich die Frage auch ist, ob die Entscheidung unmittel-
bar nach der Verhandlung oder erst einige Tage später berathen
und verkündet wird, so sehr berührt diese Frage doch die wich-
tigen Prinzipien des prozessualen Verfahrens. Das ergibt sich
schon aus der obigen Hervorhebung der wesentlichsten Gründe,
welche bei der Berathung der einschlägigen Bestimmungen im
Reichstage geltend gemacht worden sind. Von allen Seiten wurde
betont, dass es sich hier um eine Frage handelt, welche mit dem
Prinzip der Mündlichkeit des Verfahrens im engen Zusammen-
hang steht. Dies ergibt sich aber ferner auch, wenn man die
Praxis der deutschen Gerichte auf diesem Gebiete in’s Auge fasst,
Wir haben in Bezug auf die Berathung und: Entscheidung der
2 Hann, Materialien Bd. II! S. 604.